Bringt Menschlichkeit ins Recruiting
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Bringt Menschlichkeit ins Recruiting

Apps und Tools beschleunigen Recruiting-Prozesse und managen hohe Bewerberzahlen. Doch das sei falsch und beschädige die Arbeitgebermarke, schreibt Gastautor Bruce Kasanoff.

von Bruce Kasanoff
Was zählt ist Menschlichkeit © Photo by rawpixel on Unsplash

“Macht verdirbt”, heißt es. Und in jedem Einstellungsprozess in einer schwachen Wirtschaft haben Arbeitgeber diese Macht. Ethisch hat das zu einem moralisch bankrotten Hiring-System geführt.

Es ist doch so: Lange bevor ein zuverlässiger, hart arbeitender, individueller Kandidat einem potenziellen Kollegen in die Augen schauen darf, dem Interviewer zum Beispiel, muss er ein entmenschlichtes und unfaires System durchlaufen.

Menschen sind keine Keywords

Als erstes analysiert ein automatischer Prozess Deinen persönlichen Hintergrund. Er überprüft, ob Du gewisse Voraussetzungen erfüllst und ob Du den Kontakt zu einem normalen Menschen verdienst. Das Problem bei diesen automatischen Prozessen: Menschen sind keine Keywords, und das Leben ist kompliziert. Wenn Du mir nicht glaubst, schau Dir an, welche Herausforderungen professionelle Sportteams meistern müssen. Ihre Scouting-Systeme analysieren vielversprechende Athleten anhand von Statistiken und persönlichen Erfahrungs-Standards, doch selbst diese gewachsenen Systeme können nicht die Komposition eines starken Teams voraussagen.

Auch Top-Talente haben Macht

Immer mehr Unternehmen verlangen von ihren Bewerbern und Bewerberinnen, dass sie Aufgaben lösen, ehe sie sich überhaupt auf ein Vorstellungsgespräch einlassen. Ein Beispiel: Kreiere eine Verkaufspräsentation, in der Du unser Produkt an ein Top-500-Unternehmen verkaufst. Also musst Du – eine schlaue Person, die einen Job braucht – durch einen Ring springen, willkürliche und unfaire Dinge tun, nur um irgendwann jemandem in die Augen zu schauen.

Vergleiche das mit dem Vorgehen, wenn Unternehmen sogenannte High Potentials rekrutieren. Zur Übersetzung: High Potentials sind erfolgreiche Arbeitskräfte, die einen Job haben. Renommierte Unternehmen stellen Recruiter ein, die den persönlichen Kontakt zu erfahrenen Mitarbeitern und Führungskräften anderer Firmen herstellen. Sie beginnen persönlich, mit Mensch-zu-Mensch-Interaktionen. Warum? Weil Top-Talente auch Macht haben.

Das impliziert auf der anderen Seite: Automatische Suchen und Prozesse sind für die künftigen Mitarbeiter, die egal sind, die eigentlich keine Bedeutung haben.

Schaden für die Firmenkultur

Manche werden jetzt argumentieren, dass diese Firmen lediglich versuchen, einen Prozess mit sehr vielen Bewerbungen effizient zu managen. Ich sage, dass diese Unternehmen einen irreparablen Schaden für ihre Firmenkultur anrichten. Wenn Unternehmen Dich durch einen “entmenschlichten” Prozess in ihre Organisation einbinden, geben sie Dir ein paar Hinweise darüber:

  • Wie sehr – oder wenig – die Firma Menschen wertschätzt
  • Wie einseitig die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung ist
  • Was Du erwarten darfst, wenn die Zeiten tough, also schwierig werden

Durch einen Ring springen, um nur ein Bewerbungsgespräch zu bekommen? Das ist kein gutes Zeichen.

Persönliche Beziehungen machen Erfolg

Ich habe eine Auffassung vom Business, und diese ist lächerlich einfach: Persönliche Beziehungen machen geschäftlichen Erfolg.

Unternehmen lieben Technologie, finanzielle Modelle, neue Metriken und heiße Management-Trends – aber noch sind es Menschen, die entscheiden, was sie wann kaufen. Ob Unternehmen akquiriert oder verkauft werden, hängt nach wie vor davon ab, was Investoren von einem Management-Team denken.

Top-Talente steigen nicht in diesen Bewerbungsprozess ein

Wenn Unternehmen potenzielle Mitarbeiter wie Vieh behandeln, bekommen sie eine Belegschaft, die aus lauter Menschen besteht, die wie eine Herde behandelt werden will.

Um es anders zu sagen: Die Kandidaten, die mit anderen Menschen gut harmonieren, die persönliche und menschliche Verbindungen wertschätzen, steigen bei einem entmenschlichten Anstellungsprozess gar nicht erst ein. Im Namen der Effizienz sieben viele Organisation ausgerechnet die Menschen aus, die sie am wahrscheinlichsten zu größerem Erfolg führen würden. Kreative Typen. Andersdenkende. Innovationsmacher. Unternehmer. Typen mit Talent, die wissen: Es gibt immer eine Wahl.

Und diese eine Wahl ist: Wähle Menschlichkeit.

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Bruce Kasanoff

Bruce Kasanoff ist Growth-Coach und Buchautor. Er ist Co-Founder von Ikigai Park City, einem Motivationsprogramm für Führungskräfte. Kasanoff lebt in Park City, Utah.

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