Der Espresso steht für effizientes Marketing
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Der Espresso steht für effizientes Marketing

Maren Martschenko ist Markenberaterin und Vorsitzende des Karriere-Netzwerkes DigitalMediaWomen. Wir haben mit ihr über Espresso und smarte Kondom-Macher gesprochen.

von Hannes Hilbrecht
Maren Martschenko macht Marken und Netzwerkarbeit für digitale Frauen. © Raimund Vorspohl

Maren, verrat uns doch mal, was ein Espresso mit Marketing zu tun hat?
Ein Espresso ist ein sehr kleines, aber starkes Getränk, das aus einer einfachen Zutat, der Kaffeebohne, besteht und sehr schnell herzustellen ist. Der Espresso eignet sich daher sehr gut, um eine effiziente und schnellwirkende Marketing-Strategie zu beschreiben.

Eine Marke klein und stark wie ein Espresso.

Die Espresso-Strategie also. Gibt es für sie einen Leitfaden?
Die Espresso-Strategie ist für Solopreneure und Inhaber von kleinen Unternehmen der kürzeste Weg zur eigenen Marke. Eine Marke klein und stark wie ein Espresso. Unternehmer haben in der Regel weder Zeit noch Geld für Marketing. Sie brauchen keine Werbung, sondern eine klare Botschaft, einen echten Mehrwert, eine gute Story, ein schlüssiges Angebot, mit dem sie trotz Information-Overload Kunden überzeugen und sich vom Wettbewerber abgrenzen.

Und wie brüht man diesen Espresso?
Mit meinen Auftraggebern entwickele ich in vier Stufen ihre Marke. Die Ebenen heißen Sein, Haben, Sagen und Tun und stehen für Markenidentität, Markenprodukt und -service, Markenkommunikation und Markenverhalten. Nachdem wir auf der Ebene Sein geklärt haben, wer sie sind und wofür sie stehen und wer die ideale Zielgruppe ist und was deren Kernbedürfnisse sind, gehen wir zur nächsten Ebene Haben und matchen eben diese Kernbedürfnisse mit den Kernkompetenzen zu einem einzigartigen Produkt oder Service. Aus dem daraus ableitbaren Kernnutzen, neudeutsch Benefit oder Impact, können wir auf der nächste Ebene Sagen das ehrliche Kundenversprechen ableiten.

"Ehrlich ist wichtig" - das sagt  mittlerweile jeder. Aber warum?
"Ehrlich" deshalb, weil es nicht darum geht eine möglichst coolen Slogan zu formulieren, sondern eine Kernaussage, die gut vermittelt, was Kunden von der Marke haben. Echtheit und Authentizität sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine glaubwürdige Marke, die Vertrauen schafft. Dann lassen sich auch die Stories für die Markenkommunikation leicht ableiten und auch Leitlinien für das Corporate Design. Last but not least, leiten wir daraus auf der Ebene Tun die Maßnahmen ab, die das Unternehmen beziehungsweise der Unternehmer ergreifen muss, um dieses Versprechen zu halten. Dazu zählen analoge und digitale Marketingmaßnahmen, aber auch das Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften.

Außerdem ist Schaumschlagen oft teuer, da die benötigten Werbemittel finanziert werden müssen.

Nun gibt es auch die Latte Macchiato-Strategie mit möglichst viel Schaum. Denn Schaumschlagen bringt Reichweite.
Kleine und mittlere Unternehmen leben von intensiven Kundenbeziehungen. Häufig trifft der Customer die Kaufentscheidung aus einer Emotion und einer persönlichen Bindung heraus. Und wenn Produkte ihre Versprechen nicht halten, lässt diese Bindung sofort nach oder entsteht gar nicht erst. Deshalb ist eine saubere und clevere Markenfindung sowie die Ansprache und Kommunikation nach außen so wichtig. Außerdem ist Schaumschlagen oft teuer, da die benötigten Werbemittel finanziert werden müssen.

Warum wirkt der Espresso bei KMUs?
Weil diese Unternehmen ein klares Produkt und eine relativ spitze Zielgruppe haben. Daher besitzen die Marke und das Markenversprechen eine hohe Bedeutung. Viele dieser Unternehmen fühlen sich bei all den Marketing-Optionen, die es gibt, verloren. Sie probieren viele Sachen aus, und irgendwann haben sie einen Bauchladen an Marketingmaßnahmen. Sie verlieren erst die Übersicht und dann die Effizienz. Die Espresso-Strategie steht diesem Ansatz entgegen: Hier geht es nur um ein klares Versprechen an den Kunden, das in Marken gebündelt und nur über die relevanten Kanäle verbreitet wird. Grundlage dafür ist eine präzise Beratung, die verhindert, dass überhaupt die angesprochenen Bauchläden entstehen.

Sie probieren viele Sachen aus, und irgendwann haben sie einen Bauchladen an Marketingmaßnahmen.

Du bist seit zehn Jahren auf dem Markt. Wie bist Du auf die Espresso-Sache gekommen?
Weil ich gerne Espresso trinke. Und das Bild so passend ist. Die Vorteile dieses Denkens sind an Kunden leicht vermittelbar. Der Espresso, an der Maschine gezogen, steht für eine schnelle Problemlösung. Andererseits stecken auch komplizierte Abläufe dahinter. Damit ein Espresso seinen Geschmack voll entfaltet, muss der Wasserdruck stimmen, die Kaffeesorte und Röstung von hoher Qualität sein, sogar die Härte des Wassers spielt eine signifikante Rolle. Damit die Aromen hervorstechen, Bitterstoffe vermieden werden und die Crema sich gut ausbildet, müssen viele Variablen stimmen. Und so ist es eben auch bei dieser Marketing-Idee: Klarer Lösungsansatz und danach die volle Konzentration auf die Zusammenstellung der richtigen Zutaten.

Du hast vorher lange in einer Agentur gearbeitet. Wie hat Dich das Geschäft geprägt?
In der Agenturwelt habe ich gemerkt, wie unterschiedlich die Arbeit für kleine und große Kunden ist. Bei Konzernen ist sehr viel von oben herab durchdekliniert. Es gibt kaum Handlungsspielraum. Die Arbeit für kleine Kunden hat mir immer mehr gegeben. Man konnte in der Zusammenarbeit mehr Spürbares erreichen, schon kleine Handgriffe konnten sich schnell sehr positiv auszahlen. Weil es eben dort die Hands-On-Mentalität gibt, Probleme direkt angepackt werden. Hier zu helfen, hat mich sehr gereizt. Und mich motiviert, die Selbständigkeit anzustreben.

Nun findet man Dich im Internet unter Deinem Namen und nicht unter der Espresso-Strategie. Warum?
Das erst seit etwa einem Jahr. Ich lebe sehr von den Weiterempfehlungen meiner Kunden. Und die verraten natürlich zunächst meinen Namen, weshalb diejenigen, denen ich empfohlen wurde, auch nur danach suchen. Daher diese Domain.

Wieso erst seit einem Jahr und nicht von Anfang an?
Als ich 2008 gründete, war es bei Google schwieriger, gefunden zu werden, wenn der Name falsch eingegeben wurde. Das wäre für mich bei meinem Nachnamen ein Nachteil gewesen. Mittlerweile ist das einfacher. Ich sehe ja teilweise, wie die Interessenten meinen Namen eingeben, und trotzdem auf meiner Website landen.

Bringt Dir die Domain-Änderung, sprich der Wechsel Deiner Marke, Reichweitenvorteile?
Nicht unbedingt Reichweite. Aber für die Nutzerführung ist es wichtig. Die User mögen keine Ambivalenz. Eine Website muss klar und verständlich sein. Zuvor war das bei mir etwas holpriger. Ich startete nämlich mit der Domain ZehnBar.de. Da wusste niemand – außer eingeweihten Espressofans – was das bedeutet.

Klär uns auf.
Auf die Schwierigkeit mit meinem Namen habe ich ja bereits hingewiesen. Es war ja nicht nur die Buchstabierung, sondern auch die unklare Zukunft meiner Selbstständigkeit. Damals konnte ich ja nicht ausschließen,  dass ich doch eine eigene Agentur aufbaue mit Mitarbeitern. Dann wäre die Domain irreführend gewesen. Zehn Bar, der ideale Wasserdruck für einen Espresso, erschien mir daher als eine kreative und wohlklingende Lösung. Das Problem: Die Nutzer dachten vordergründig nicht an meine Leistungen, sondern an Bargeld oder irgendetwas mit Zehn. Seitdem ich meine eigene Marke bin, passiert das nicht mehr.

Welchen Fehler machen Deine Kunden oft?
Sie nehmen sich falsche Vorbilder und sagen: Wir wollen in unserer Nische wie Google sein. Doch wissen sie oft gar nicht, wie Google funktioniert und arbeitet. Das Vorbild passt nicht zum Geschäftsmodell - und das führt oft zum Aufbau von unpassenden und damit schlechten Marken-Ansprachen.

Einer Markendenkerin muss man diese Frage stellen: Welche Marke gefällt Dir besonders gut?
Was die Kondommarke “Einhorn” macht, finde ich beeindruckend. Sie sind sehr kreativ und erreichen mit smarten Marken-Entscheidungen ihre Kunden auf ungewöhnliche und effektive Art und Weise.

Was ist so eine smarte Entscheidung?
Sie verkaufen Kondome nicht in den typischen rechteckigen Schachteln, sondern in Chipstüten. Das sieht nicht nur gut aus und ist kreativ - sondern reagiert vor allem auf ein großes Kundenbedürfnis. In der Drogerie oder im Supermarkt Kondome zu kaufen, fällt vielen Menschen aus Schamgefühlen schwer. Die Verpackung, die nicht an klassische Kondomverpackungen erinnert, sondern an Knabberzeug, löst dieses Problem. Man muss sehr genau hinschauen, um zu erkennen, was genau da drin ist. Ein weiterer Vorteil: Die Verpackung hebt sich im Regal von der Konkurrenz ab.

Ist die Verpackung der einzige Hack?
Die gesamte Außendarstellung und auch die Haltung imponieren mir. Die Verpackungen, die sie machen, sehen niemals gleich aus. Das überrascht die Zielgruppe immer wieder und schafft neue Reize. Das ist ein ganz anderer Ansatz als ihn Automobil-Marken wie BMW fahren. Da erkennt man nach drei Sekunden anhand der Musik und Bilder: Oh, mal wieder BMW-Werbung. Außerdem legt Einhorn sehr viel wert auf einen fairen und nachhaltigen Herstellungsprozess.

Ist Individualität die beste Espresso-Strategie für kleine Unternehmen?
Auf jeden Fall ist sie wichtig und wirkt nicht nur bei extrovertierten Unternehmen. Der Hermann Schmidt Verlag aus Mainz löst viel über das Design und persönliche Ansprache. Jedes Buch, das dort verlegt wird, sieht anders aus, ist ein Unikat. Trotzdem erkennt man eine einheitliche Handschrift. Dieses Verschiedenheit spricht die Kunden immer wieder neu an, und die Marke wird trotzdem wiedererkannt.

Lass uns noch kurz über Dein anderes Projekt sprechen. Du bist Vorsitzende der Digital Media Women. Als Netzwerk wollt ihr mehr Frauen in digitale Führungspositionen verhelfen. Brauchen Frauen - aufgrund der Ungleichbehandlung- eine stärkere Persönlichkeits-Marke, um voranzukommen?
In manchen Branchen, die männlich dominiert sind, braucht es leider das Gegenteil: Nämlich sehr viel Anpassung. Frauen müssen Stereotype der Männer übernehmen, das Denken adaptieren, um eine Chance zu haben. Unser Ziel ist es, dass sich durch die Digital Media Women die Strukturen verändern. Das geschlechtsneutral nach Persönlichkeit und Kompetenz befördert wird - dass ein Peter nicht mehr nur den Peter protegiert. Das ist noch nicht in allen Branchen der Fall.

Warum wird sich das in Zukunft verändern?
Weil immer mehr Unternehmen starken Nachwuchs brauchen - und dieser ist eben vermehrt weiblich. Bei Konferenzen spürt man das schon gut: Veranstalter müssen sich für weibliche Speaker mehr ins Zeug legen als für männliche. Das liegt daran, dass Frauen, speziell berufstätige Mütter, oft nicht so flexibel planen können und nicht so leicht zusagen. Frauen haben auch die Tendenz, sich nicht sofort in den Vordergrund zu spielen. Sie sehen sich nicht als “Rampensau” – was ja derzeit das gängige Bild vom Speaker auf der Bühne ist. Veranstalter, die starke Rednerinnen wollen, müssen also umdenken, eine andere Ansprache finden. Und zuerst einmal natürlich sagen: Gleichberechtigung auf unseren Bühnen ist uns wichtig. Das geschieht bereits zunehmend. Und das wird sich, denke ich, auch bald auf dem Arbeitsmarkt zeigen.

Wieso ist eine gute Marke auch für Euer Netzwerk wichtig?
Weil Netzwerke am besten wirken, wenn sie groß und vor allem kompetent sind. Als Organisation müssen wir unsere Zielgruppe - smarte Frauen - davon überzeugen, dass wir die richtige Adresse sind, um sie in ihren Karrieren langfristig voranzubringen. Und das geht wie bei Unternehmen am effektivsten über die Marke und das Kundenversprechen.

Maren, zum Abschluss: Was sind eure Ziele für das kommende Jahr?
Es sind zwei. Je eines für die Innen- und Außenwirkung. Mit der Einführung der Objectives and Key Results (OKR) Methode wollen wir unser virtuelles Team bei den Digital Media Women aus 150 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen effektiver digital zusammenführen. Messbare Ergebnisse sind gerade im Ehrenamt sehr wichtig. Die OKR-Methode ist für agil und dezentral organisierte Organisationen besonders geeignet.

Zudem gibt es im kommenden Jahr unseren großen Rollout der #30mit30 Kampagne. Wir stellen 30 Unternehmen vor, in denen 30 Prozent der Führungskräfte bereits weiblich sind. Das soll auch andere Unternehmen sensibilisieren und Chancen für Bewerberinnen und gut qualifizierte Mitarbeiter aufzeigen. Diese best practices sind sicher sehr spannend für unsere Zielgruppe und Stakeholder.

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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