E-Commerce mit Tratschen und Backen
Online Marketing

E-Commerce mit Tratschen und Backen

Katharina Mayer ist mit ihrem Unternehmen Kuchentratsch nicht nur E-Commerce-Unternehmerin, sondern Gesellschafsvernetzerin. Ein Gespräch über ein analoges Business, das digital funktioniert.

von Hannes Hilbrecht
Bei Oma schmeckt´s am besten. © Kuchentratsch

Eure Omas backen ihre Lieblingskuchen, die Ihr in München über Lieferopas und deutschlandweit mit der Post verschickt. Wie bist Du auf diese charmante Idee gekommen?
Ich habe mich bei meinem BWL Studium fernab der Heimat gefragt, warum es so leckeren Kuchen wie den von meiner Oma eigentlich nirgends zu kaufen gibt. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass der Verkauf von Omakuchen auch SeniorInnen zugute kommen könnte. Sie können ihre Backleidenschaft ausleben, neue Leute kennenlernen und sich ihre Rente aufbessern. So habe ich mit 24 Jahren beschlossen, alles auf eine Karte zu setzen und habe Kuchentratsch gegründet. Danke für dein Kompliment!
 
Nun steht nach der guten Idee immer ein großer Berg an Arbeit. Was war die größte Herausforderung in der Gründungsphase von Kuchentratsch?
Die größte Herausforderung gab es für mich tatsächlich gleich ganz am Anfang: Ich musste erstmal meine Familie und Freunde davon überzeugen, dass ich mit meinem BWL Studium nicht in den super bezahlten und sicheren Angestelltenjob starte, sondern mein eigenes soziales Unternehmen mit Omas und Kuchen aufbauen will. Da gab es in meinem Umfeld zunächst viele Zweifel. Umso schöner ist es, die ersten Erfolge vorzuweisen und zu merken: Es hat sich gelohnt, an meine Idee und mich zu glauben.
 
Nun führst Du sozusagen ein E-Commerce-Unternehmen. Ich würde gerne wissen, wie viele Kuchen Ihr - im Schnitt - pro Woche umsetzt.
Um die 250 Kuchen werden momentan im Schnitt pro Woche bestellt – und es wird stetig mehr. Ganz besonders unser Minikarottenkuchen von Oma Irmgard, den wir deutschlandweit per Post versenden können, spricht sich herum und wird Woche für Woche häufiger geordert. Das ist nicht nur für uns super schön, sondern freut auch Oma Irmgard riesig. Sie ist mit 80 Jahren unsere älteste Backoma und sehr stolz, dass ihr Rezept so gut ankommt.

Der Mini-Karottenkuchen von Oma Irmgard ist auch per Post lieferbar © Kuchentratsch

Was war Dir wichtig, als Du ein sehr analoges Business - die Omas und Opas am Herd - über die Website in die digitale Welt übersetzt hast? Was soll für den User bei Kuchentratsch "rüberkommen"?
Die Omas und Opas sind unser Herzstück und das soll auf der Website auch deutlich werden. Deshalb ist bei jedem Kuchen ein Bild der Oma (oder des Opas) dabei, welche(r) das Rezept für den Kuchen mitgebracht hat. Dazu gibt’s auch noch ein handgeschriebenes Zitat der Backoma. Darin erklärt sie, was den Kuchen so besonders macht oder zu welchem Anlass sie ihn gerne backt. So kommt die Backleidenschaft unserer SeniorInnen hoffentlich auch beim Besucher der Website und am Ende beim Kunden an.
 
Customization ist seit jeher ein Stichwort im E-Commerce. Können Kunden bei Kuchentratsch das Gebäck auch personalisieren lassen und wenn ja: Welche Möglichkeiten gibt es?
Unsere Omakuchen kann man sich für jeden Anlass individualisieren lassen. Zum Beispiel mit Marzipanbuchstaben, Kuchengirlanden und Cake Toppern, der Deko auf dem Kuchen oder handgeschriebenen Postkarten. Für Firmenkunden, die eine größere Stückzahl bestellen, können wir sogar den Holzbackring, in dem unsere Minikuchen versendet werden, mit ihrem Firmenlogo branden. Um die Entscheidung ein wenig zu vereinfachen, haben wir ein paar "vorgefertigte" Individualisierungen, wie zum Beispiel den Happy Birthday-Geburtstagskuchen von Oma Milena, der sehr gut bei unseren Kunden ankommt.

Nun muss eine gute Idee auch Resonanz erzeugen, also reichweitenstark verbreitet werden. Welcher ist Euer wichtigster Marketing-Kanal?
Unsere Social-Media-Kanäle sind zu einem wichtigen Tool geworden, um Kunden zu erreichen. Obwohl ja immer davon gesprochen wird, dass Facebook an Relevanz verliert, generieren wir mit dem Netzwerk immer noch die meisten Leads.

Der Kuchenmarkt ist eine Nische. Nun macht in deutschen Innenstädten ein Backshop nach dem anderen auf. Das Angebot ist groß, die Preise oft günstig. Es gibt leichtere Märkte für ein Start-Up. Wie könnt ihr Euch gegen den "Discounter" behaupten?
Es stimmt zwar, dass man billige Lebensmittel heutzutage überall bekommt. Wir merken aber, dass wir mit unserem Omakuchen trotzdem eine sehr große potenzielle Kundschaft ansprechen. Die Menschen sind anspruchsvoller geworden, was ihren Konsum betrifft.

Warum ist das so?
Dadurch, dass wir eine hochentwickelte Gesellschaft sind, in der unsere Grundbedürfnisse längst gedeckt sind, ist es an der Zeit, wieder verstärkt aufeinander aufzupassen und gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Statt Ellenbogengesellschaft heißt es, Verantwortung für unsere gesellschaftliche und soziale Zukunft zu übernehmen. Und das tun die Menschen gerne, in dem sie leckeren Kuchen kaufen und gleichzeitig damit unsere Backstube unterstützen.  
 
Nun esse ich nicht so gerne Kuchen oder Torte, aber habe trotzdem Lust bekommen, bei Kuchentratsch zu stöbern, weil ich das Konzept sehr schätze. Habt ihr viele Kunden, die bei Euch nicht nur wegen des Gebäcks, sondern vor allem wegen der Idee bestellen?
Definitiv! Diese Kunden kaufen sehr gern unsere Backbücher oder Gutscheine, um sie zum Beispiel an Kuchenfans im Freundeskreis zu verschenken. Manche Firmen buchen auch unser Lunch & Learn, bei dem es neben Suppe sowie Kaffee & Kuchen von Oma für Mitarbeiter auch einen Impulsvortrag gibt.
 
Eure wichtigsten Mitarbeiter sind die Omas, die in der Regel vormittags backen. War es eigentlich schwer, die zu finden?
Ich habe am Anfang einfach mit meiner eigenen Oma angefangen und die hat ihre Freundinnen mitgebracht, so ging es los. Nach und nach hat sich das dann herumgesprochen und so kamen die ersten Omas von alleine auf uns zu. Mittlerweile bekommen wir immer viele Anfragen, sobald wir in der Presse (meistens die klassischen Printmedien) waren.

Gründerin Katharina Mayer mit Oma Inge © Kuchentratsch

Müssen die Omas zum Vorstellungsgespräch ihren Kuchen mitbringen, oder wie evaluierst Du die Backqualitäten?
Es gibt erstmal ein Vorgespräch bei uns, damit sich die neuen Omas und Opas ein Bild von der Backstube machen können. Beim zweiten Mal kommen sie zu einer Backschicht und backen bei uns ihren eigenen Kuchen. Da das alles backaffine RenterInnen sind, war bis jetzt noch kein Fall dabei, bei dem wir absagen mussten. Aber auch für Omas und Opas, die keine Lust auf Backen haben, gibt es bei uns einen Platz: zum Beispiel als Lieferopa/-oma oder Einpackoma/-opa.
 
Wie kann sich eine Oma bei euch bewerben?
Einfach eine Mail an hallo@kuchentratsch.com schreiben oder anrufen und dann vereinbaren wir einen Kennenlern-Termin!

Arbeiten bei euch nur Rentner, die ihre Bezüge aufbessern wollen?
Die einzige Voraussetzung ist der "Rentner-Status". Manche unserer SeniorInnen sind auch FrührentnerInnen. Die Hauptmotivation ist bei allen, neue Leute kennenzulernen und seiner Backleidenschaft nachgehen zu können. Natürlich ist für manche der Lohn nicht nur ein nettes Zuckerl, sondern wirklich wichtig. Aber dass ist nie der einzige Grund, warum die Omas zu uns zum Backen kommen.
 
Wie koordiniert ihr die Omas. Backen sie digital vernetzt auf Zuruf am eigenen Herd, oder trifft man sich in einer gemeinsamen Backstube?
Alle Kuchen werden in unserer Backstube gemeinsam in Backschichten, in die sich die Omas selbst eintragen, gebacken. Denn bei uns geht’s ja nicht nur um’s Backen, sondern auch um’s Leute kennenlernen und tratschen.

Oma Eva-Maria, Oma Moni und Oma Irmgard haben Spaß am Backen. © Kuchentratsch

Wie sieht am Ende die typische Cake-Journey aus – von der Bestellung über den Einkauf bis zur Auslieferung?
Sobald eine Bestellung über unseren Onlineshop reinkommt, überträgt meine Kollegin Theresa diese in unseren Backplan. Hannah koordiniert die Backschichten und schaut, ob für den Backtag genügend Omas eingetragen sind. Fünf Backplätze gibt es insgesamt pro Schicht. Sie verteilt die bestellten Kuchen auf die Backomas an diesem Tag, zum Beispiel drei Schokokuchen von Oma Anna. Weil Oma Anna nicht jede Woche Lust hat, denselben Kuchen zu backen, bekommt zum Beispiel Oma Eva-Maria die drei Kuchen auf ihre Liste. Die Omas backen dann von 9 bis 13 Uhr. Hannah packt die Kuchen ein und versieht jeden mit der richtigen Omakarte. Anschließend nehmen entweder unsere Lieferopas die Kuchen für eine Auslieferung in München mit oder wir machen sie für den Postversand bereit.
 
Ich dachte beim Blick auf Kuchentratsch natürlich auch an meine Großmutter. Sie macht einen vorzüglichen Steckrübeneintopf. Gab es schon Überlegungen, das Konzept deutschlandweit und mit neuen Produkten auszuweiten?
Mhhh, das klingt lecker! Wie schön, dass du auch so ein Lieblingsrezept von deiner Oma hast! Meins ist der Apfelkuchen von ihr. Im Moment arbeiten wir daran, den deutschlandweiten Kuchenversand auszuweiten, vielleicht auch nächstes Jahr in den Lebensmitteleinzelhandel einzusteigen. Das können wir alles noch über den Münchner Standort abdecken. Unser Traum ist aber, allen Omas und Opas die Lust darauf haben, die Möglichkeit zu geben, bei uns mitzumachen. Wie das Ganze aussehen könnte, daran tüfteln wir noch.  
 
Welche digitalen Wachstumschancen siehst du?
Ich sehe großes Potenzial im Online-Handel, ganz besonders, seitdem wir nicht mehr nur in München mit den Lieferopas ausliefern, sondern unsere Minikuchen per Post versenden. Digital erreichen wir so viel mehr Menschen als nur hier vor Ort in unserem Münchner Hinterhof. Durch E-Commerce können unsere Backomas jetzt auch für einen Kindergeburtstag in Berlin oder strukturschwache Gegenden ohne Bäckerei Kuchen backen – ein Traum!
 
Unsere Standardfrage zum Abschluss: Was war die smarteste Entscheidung in der Kuchentratsch-Story?
Uns zum richtigen Zeitpunkt in die Höhle der Löwen zu wagen. Als wir endlich ein deutschlandweit lieferbares Produkt hatten, haben wir uns einfach mal beworben. Was seit unserem Auftritt im vergangenen Oktober alles passiert, ist wirklich der Wahnsinn. Neben dem Investment von Dagmar Wöhrl und Carsten Maschmeyer haben sich neue Zusammenarbeiten für ein Backbuch und einen Podcast ergeben und sehr viele tolle Menschen sind mit uns in Kontakt getreten – das war bisher der größte Entwicklungsschritt von Kuchentratsch. Ich kann das jedem Gründer nur empfehlen.

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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