Gibt es das Erfolgsrezept für Stellenanzeigen?
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Gibt es das Erfolgsrezept für Stellenanzeigen?

Krach, Dreck, Schichtarbeit. Alles Dinge, die nicht so „geil” sind. Henner Knabenreich, Personalmarketing-Coach, erklärt, warum gerade das in eine Stellenanzeige gehört.

von Anna Baldig
Henner Knabenreich: Coach, Konzepter, Blogger © privat
Personalmarketing-Coach Henner Knabenreich weiß, wie effektives Recruiting funktioniert. © privat/ Henner Knabenreich

Henner, als Coach und Konzepter berätst du Kunden beim Recruiting. Auf deinem Blog schreibst du, dass Stellenanzeigen individuell sein müssen, um Erfolg zu haben. Wie erreichst du das und welche Mechanismen wendest du an?
Wenn ich eine Stellenanzeige lese, muss ich mich als Person vom Angebot angesprochen, muss mich abgeholt fühlen. Ansonsten wird es schwierig. „Wir sind die Größten, die Schönsten, die Tollsten und die Schlausten” – das ist nicht spannend für Bewerber. Interessanter und fesselnder wird es, wenn wir uns emotional abgeholt fühlen. Genau das kann der Einstieg leisten.
 
Wie sieht ein guter Einstieg aus?
Es gibt eine Fülle von Stellenanzeigen. In der Regel ist das Erste, was ein Bewerber bei einer Online-Anzeige sieht, der Einstiegstext. Ist dieser nicht catchy formuliert, lesen Bewerber im Zweifel nicht weiter. Was gehört also ins Intro? Ein guter Einstiegstext orientiert sich an den Bedürfnissen und Gefühlen der Zielgruppe. Spannende Aspekte des Aufgabenfeldes sollten bereits im Einstieg erwähnt werden. Besonderheiten der Stelle sollten Firmen herausstellen. Auch die Werte des Unternehmens können im Intro-Text stehen. Nur eine treffende Ansprache und der passende Inhalt wecken die Aufmerksamkeit. Alles, was sich vom Einheitsbrei unterscheidet, wird eher wahrgenommen.
 
Es geht also ums Anderssein. Wie setzt du das mit Kunden um?
Naja, es gibt einen gelernten Aufbau einer Stellenanzeige: Aufgaben, Anforderungsprofil, Benefits (hoffentlich) und eine nette Bewerbungsaufforderung. Dieses Muster könnten wir zum Beispiel durchbrechen. Viele Unternehmen zählen inzwischen zunächst den Benefit auf, der sehr wichtig ist. Er beantwortet dem Bewerber die Frage, warum er sich ausgerechnet bei dieser Firma bewerben sollte – oder hilft zumindest bei der Entscheidung. Der richtige Aufbau hängt von der Zielgruppe ab. Unternehmen können verschiedene Varianten ausprobieren und mit dem Aufbau spielen. Inhalte, die auf die Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtet sind, bleiben aber das Wichtigste.
 
Also einfach mal ausprobieren?
Genau. Online ist praktisch unendlich viel Platz vorhanden und gerade auf der eigenen Website kostet es das Unternehmen nichts, verschiedene Anzeigen zu testen.
 
Mit welcher Tonalität sollten Unternehmen mögliche Bewerber ansprechen?
Es kommt darauf an, welchen Bewerbertyp Firmen mit der Anzeige ansprechen wollen. Einen Wirtschaftswissenschaftler spricht ein Unternehmen anders an als einen Produktionsmitarbeiter, auch inhaltlich. Für den Arbeiter ist interessant, zu wissen, was er vom Job hat. Wie sieht das Team aus, was verdient er und wie sicher ist der Arbeitsplatz? Wir müssen auf den Bewerber zugeschnittene Botschaften kommunizieren.
 
Wie wählst du die passende Sprache und die richtigen Inhalte aus?
Man kann eine bestehende Anzeige überarbeiten und „schön schreiben“, das allein bringt aber nicht viel. Inhalte sind wichtiger als die Form. Deswegen gehe ich im Idealfall in die Teams, in denen Unternehmen Mitarbeiter* suchen. Ich spreche mit den Leuten, die die Stelle innehaben. Ich frage sie, was ihre Aufgaben sind, was die Arbeit so spannend macht, so reizvoll, was vielleicht auch nicht so toll ist. Möglichst realitätsnah versuche ich mir ein Bild von der Arbeit zu verschaffen.
 
Was passiert mit diesen Informationen, was machst du damit?
Ich filtere heraus, was jemand zwingend mitbringen muss, um die Stelle besetzen zu können. Es geht nicht ums Nice-to-have, sondern um notwendige Eigenschaften für den Job. Das gilt es dann in entsprechenden Worten in die Stellenanzeige zu transportieren. Dabei versuche ich, die Kernaufgaben möglichst plastisch zu beschreiben. Was macht die Stelle reizvoll, was kann ich bewegen, wie setzt sich das Team zusammen? Wichtig ist auch, mit wem oder was ich arbeite, was konkrete Anforderungen sind. Und damit meine ich nicht eine Aufzählung von Substantivierungen mit -ungs. Betreuung, Beurteilung, Planung, Verwaltung sind schöne Beispiele dafür. Stattdessen gilt es, mit Verben zu werben und eine aktive Ansprache zu wählen.

Mit Verben werben, statt mit Substantivierungen.

Substantive sollte man also vermeiden. Wie aber gehst du mit den nicht „so tollen” Aspekten um, die du bei deinen Gesprächen herausfilterst. Landen sie in der Stellenanzeige?
Schichtarbeit ist nicht so geil. Oder wenns mal schmutzig oder laut wird, ist das nicht geil. Aber wenn der Kandidat damit im Job konfrontiert wird, sollte man das nicht verschweigen. Es macht keinen Sinn, das Interesse eines Bewerbers zu wecken, eine Erwartungshaltung zu erzeugen, die am Ende nicht der Realität entspricht.
 
Warum sollten Unternehmen transparent kommunizieren?
Im Zweifelsfall stellt sich erst im Vorstellungsgespräch heraus, dass es nicht passt. Man hat Leute vor sich sitzen, die sagen: „ Ach nee, so habe ich mir das aber nicht vorgestellt.” Versuche ich bereits bei der Ansprache möglichst konkret zu sein, erspare ich mir unnötige Aufwände im Recruiting. 

Im schlimmsten Fall tritt der Bewerber vielleicht sogar den Job an und stellt dann fest: Es ist anders als erwartet und haut in den Sack. Unternehmen fangen dann wieder komplett von vorne mit der Suche an. Das kostet Zeit, Ressourcen und Nerven und die Stelle bleibt länger vakant.
 
Hattest du bei Kunden schon den Fall, dass sie die vermeintlich negativen Aspekte der Arbeit nicht erwähnen wollten?
Ja, klar. Der Satz ,Damit schrecken wir den Bewerber ab' kommt häufig. Ich entgegne meist, dass es nicht darum geht, möglichst viele Bewerber zu erreichen, sondern welche, die passen und die alle Seiten des Jobs in Kauf nehmen.

Ehrlichkeit und Transparenz sind also wichtig, was noch?
Unternehmen müssen Aufgaben und Umfeld genau beschreiben. Welche konkreten Aufgaben muss man erfüllen, mit wem arbeitet man zusammen, welche Arbeitszeiten hat man. Ein gutes Beispiel ist: Der Bewerber soll teamfähig sein. Aber was genau bedeutet teamfähig? Das gilt es herauszuarbeiten, indem man beispielsweise schreibt, welchen Stellenwert das Team im Unternehmen hat, wie die Teams zusammenarbeiten und wie sie zusammengesetzt sind. Online hat man genügend Platz, um das zu beschreiben.
 
Apropos Platz: Was ist die ideale Länge einer Stellenanzeige?
Es heißt ja, dass eine zu lange Anzeige keiner liest. Ich sehe das anders. Wenn sich ein Bewerber für eine Stelle interessiert, freut er sich doch über jede Information, die er bekommt. Infos zu Aufgaben, Anforderungen, der Unternehmenskultur und vielleicht sogar zum Bewerbungsprozess sind wichtig. Es muss Spaß machen, die Anzeige zu lesen und es kommt auf relevante Inhalte an. Inhalte, die sich an den Bedürfnissen der Zielgruppe orientieren  – nicht an der Länge des Textes. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber grundsätzlich hängt auch hierbei alles von der Zielgruppe ab.
 
Kannst du ein Beispiel nennen?
Erfahrungsgemäß müssen Unternehmen einem Gabelstapelfahrer keinen Roman in der Stellenanzeige präsentieren. Er will wissen, wie er arbeitet, was er verdient, wie sich das Team zusammensetzt. Einen Softwareentwickler spricht man wiederum anders an. Er will zum Beispiel wissen, wofür er etwas entwickelt, mit welchen Sprachen und Tools er arbeitet, wie er sich weiterentwickeln kann. Auch interessieren ihn seine Perspektiven und wie er seine Arbeitszeit gestalten kann.
 
Mehr Schnörkel und Schleifchen also beim Softwareentwickler?
In jedem Fall muss die Botschaft klar werden. Der Rest hängt wiederum vom Adressaten und auch vom Unternehmen ab. Ärzte oder Juristen zum Beispiel sind gewisse Formalien gewohnt. Eine kumpelhafte Ansprache ist da schwierig. Aber es kommt immer auch auf die Kultur des Unternehmens an. Ist man ein cooles, witziges und lockeres Unternehmen, auch eine Kanzlei, kann man über die Ansprache die Kultur des Unternehmens vermitteln. Über die Wahl der Sprache können Firmen so zeigen, wie sie ticken und auf diese Weise die passenden Bewerber erreichen.

Wie können Unternehmen das konkret in der Anzeige umsetzen und steuern?
Ein Aspekt ist dabei das „Du“ oder „Sie“. Ein Unternehmen, in dem das „Sie“ an der Tagesordnung ist, sollte einen Teufel tun, mit „Du“ zu werben, nur um cool und hip zu wirken.  Und dann muss man, wie gesagt, alle relevanten Inhalte einbringen und versuchen herauszuragen. Aber natürlich müssen Unternehmen die Erwartungen, die sie in der Ansprache wecken, auch erfüllen.
 
Erwartungshaltung und Realität müssen schlussendlich immer zusammenkommen. Und die Zielgruppe ist wichtig bei der Wahl der Tonalität. Gibt es für dich eine Hitliste der No-Gos, die man allgemein vermeiden sollte?
No-Gos sind Selbstbeweihräucherungen. Sowas wie: Wir sind die Größten, die Schönsten, die Schlausten. Ein weiteres No-Go ist es, keine direkte Ansprache zu wählen, weder zu duzen noch zu siezen. Das Unternehmen bleibt damit total passiv. Substantivierungen gehen für mich in einer Stellenanzeige ebenfalls nicht. Ein No-Go ist auch, wenn ein Unternehmen nicht beschreibt, worum es im Job geht. Genauso wenig geht es für mich, wenn die Anforderungen in der Anzeige stehen, aber ohne Bezug zu den Aufgaben. Auch ist es nicht von Vorteil, wenn Unternehmen keinen Ansprechpartner nennen, keine Adresse vorhanden ist und die Gründe fehlen, warum man sich bewerben sollte.
 
Viele Aspekte also, die es zu beachten gilt. Wirst du manchmal nach einem Patent- oder Erfolgsrezept gefragt und gibt es das?
Ja, werde ich. Zum Glück gibt es das nicht. Denn wir arbeiten mit Menschen.

 

Mehr Infos und Tipps von Personalmarketing-Coach Henner Knabenreich gibt es online unter hennerknabenreich.de und personalmarketing2null.de.

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Anna Baldig
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