Wir haben ohne interne Barrieren gedacht
Online Marketing

Wir haben ohne interne Barrieren gedacht

Andreas Cüppers ist "Leiter Digital" bei Fußball-Bundesligist Borussia Mönchengladbach und verantwortete eine der smartesten Kampagnen im Sport-Marketing. Unser Evergreen-Interview.

von Hannes Hilbrecht
Andreas Cüppers leitet den Bereich "Digital" bei Borussia Mönchengladbach © Cüppers

Die meisten Unternehmen fürchten sich vor dem “Leak” von Unternehmensgeheimnissen. Nun habt ihr bei Borussia Mönchengladbach einen Marketing-Preis gewonnen, weil ihr euch selber geleakt habt. Wie kam es dazu?
Wir hatten jedes Jahr das gleiche Problem: Unsere neuen Trikots kamen immer vor unseren Wunschterminen an die Öffentlichkeit. Auf irgendwelchen Portalen, Nachrichtenseiten oder in Fanforen wurden Bilder veröffentlicht. Wenn ein Trikot designt, entwickelt und produziert wird, passiert es zahlreiche Stellen und damit unzählige Mitarbeiter in verschiedenen Unternehmen. Da muss nur eine Person auf eine Idee kommen, und ein gut gehütetes Geheimnis ist keines mehr.

Kostet das Geld oder geht es eher um Prestige?
Ich kann gar nicht sagen, ob das Geld kostet. Ganz sicher ist: Viele Leute stecken Arbeit in so ein Trikot. Und die möchten natürlich, dass dieses Trikot bestmöglich und professionell präsentiert wird. Es geht sicher um das Prestige. Dazu kommt: Für Fans einer Fußballmannschaft ist das Trikot sehr, sehr bedeutend. Immerhin wird das Outfit sie ein Jahr begleiten. Sie tragen es möglicherweise an mindestens 34 Spieltagen. Es wird also viel darüber gesprochen, diskutiert. Viele Anhänger designen mittlerweile sogar eigene Entwürfe, die richtig gut aussehen. Dieses Interesse möchte man als Verein natürlich für sich beanspruchen. Durch Leaks verliert man diese Handhabe.

Wir haben uns gedacht: Wenn wir Leaks schon nicht verhindern können, dann lasst uns das wenigstens selber machen.

Ihr habt für eure sehr mutige Trikotpräsentation Preise gewonnen und wurdet vielfach gelobt. Erzähl mal, was ihr gerissen habt.
Wir haben uns gedacht: Wenn wir Leaks schon nicht verhindern können, dann lasst uns das wenigstens selber machen. Und das möglichst kreativ und öffentlichkeitswirksam.

Und das ging wie?
Wir haben unsere neuen Heimtrikots weit vor der offiziellen Präsentation an drei aufeinanderfolgenden Tagen in populären Fernsehsendungen platziert, Undercover sozusagen. Diese Platzierung im Aktuellen Sportstudio, im Doppelpass und bei Circus Halligalli, wo Joko Winterscheidt das neue Trikot trug, begleiteten wir über die Social Media.

Ihr habt für Eure Kampagne Preise gewonnen. Aber wie groß war die Reichweite?
Die ging alleine schon durch die Fernsehzuschauer in die Millionen. Aber auch unsere Social-Reichweiten waren sehr, sehr zufriedenstellend. Auch hier waren es Millionenwerte.

Das war nicht nur das Marketing von Borussia Mönchengladbach. Das waren sehr viele Mitarbeiter aus ganz verschiedenen Teilbereichen des Vereins.

Ihr habt die Aktion In-House und ohne Agentur umgesetzt. Was hat Euch stark gemacht?
Wir haben uns keine internen Barrieren gesetzt. Aus allen Abteilungen waren Mitarbeiter beim Brainstormen dabei. Das möchte ich auch jetzt, zwei Jahre danach, noch besonders betonen: Das war nicht nur das Marketing von Borussia Mönchengladbach. Das waren sehr viele Mitarbeiter aus ganz verschiedenen Teilbereichen des Vereins.

Was war der große Vorteil?
Es ist immer gut, wenn Menschen mitdiskutieren, die einen anderen Blick haben. Die nicht aus der Marketingsicht argumentieren, sondern ganz individuell involviert sind. Die eine andere Perspektive einnehmen können. Die Idee zum Champions-Leak hatte keiner aus der Medien- oder Marketingabteilung. Die kam von einem Kollegen, der im Ticketing arbeitet.

Wer sich im Fußball auskennt, weiß: Das Wort “Leak” kommt nicht bei jedem Fußballverantwortlichen gut an. Wie viel Überzeugungsarbeit musste vereinsintern aufgebracht werden?
Wir dachten zunächst, dass es schwerer wird. Dass unsere Idee vielleicht als Gag abgetan wird, als witzige Idee. Aber die Vorgesetzten auf allen Ebenen waren sehr begeisterungsfähig. Ich denke, das lag auch daran, dass diese Idee abteilungsübergreifend entwickelt und konkretisiert wurde. Das waren nicht nur die Kommunikationsexperten und die aus dem Marketing. Das waren alle Abteilungen. Das zeigte den Entscheidungsträgern wohl, dass das nicht nur ein Gag war. Sondern breite Begeisterung.

Das neue Trikot wurde von den Gladbachern in zahlreichen Sportsendungen zielgruppengenau platziert. © twitter

Wie groß war der Aufwand der Aktion?
Von der Idee, über die Konkretisierung bis zur Umsetzung waren einige Mitarbeiter gut beschäftigt. Aber das war jetzt auch kein übertrieben großer Aufwand.

Und was waren die Hindernisse?
Überraschenderweise gar nicht das, was wir befürchtet hatten. Wir dachten nämlich: Schreiben wir drei große TV-Sendungen an, klappt es mit etwas Glück bei einer. Wir rechneten auch damit, dass vielleicht alle absagen. Wir waren uns also überhaupt nicht sicher, ob die TV-Formate bei der Aktion mitmachen. Am Ende klappte alles reibungslos. Ein Grund dafür: Unser Medienkoordinator hat uns mit seinen Kontakten stark unterstützt.

Also lief die ganze Aktion perfekt?
Nicht ganz. Im ZDF-Sportstudio wäre beinahe alles zusammengebrochen. Wir hatten zwei Fans im nagelneuen Trikot in der Sendung platziert. Es war der erste von drei Fernsehauftritten des “geleakten” Trikots. Das ZDF war informiert. Auf einmal fing der Moderator an, die beiden Gladbacher anzusprechen. Auf das neue Trikot. Da stocke mal kurz unser Atem. Da wäre die Kampagne nach dem ersten Step beendet gewesen. Aber unsere Fan-Community sprang darauf nicht vollständig an. Sie hatte noch Zweifel.

Wir haben viel Arbeit in den Redaktionsplan gesteckt, uns Gedanken gemacht, was wir wann wie ausspielen.

Was habt ihr besonders smart und gut gemacht?
Wir haben viel Arbeit in den Redaktionsplan gesteckt, uns Gedanken gemacht, was wir wann wie ausspielen. Das war wichtig, um unseren Fans zum richtigen Zeitpunkt Hinweise zu geben. Nur über Social Media konnten wir die Aktionen halbwegs steuern.

Nun gab es auch vor zwei Jahren schon Snapchat, Facebook, Instagram und Twitter. Was war euer wichtigster Kanal?
Ganz klar Twitter. Weil dort in Echtzeit auf das Medium Fernsehen reagiert wird, die Menschen über die Dinge, die sehen, sehr aktiv kommunizieren. Twitter war der ideale Kanal für unsere Verbreitung. Facebook haben wir aber natürlich auch bespielt und viel positives Feedback bekommen. Auf Instagram waren wir sichtbar, weil Joko Winterscheidt einen Post mit dem neuen Trikot absetze.

Wie reagierten die Fans?
Unsere Reichweite über alle Social-Kanäle ging in die Millionen. Wir haben auf Facebook zu 99 Prozent gutes Feedback bekommen. Das ist für einen Fußballverein mit emotionalen Fans auch nicht selbstverständlich. Manche forderten eine Gehaltserhöhung für uns. Entsprechende Screenshots gingen natürlich an die Geschäftsführung.

Nun wird jedes Jahr die Spielkleidung gewechselt, dieses Jahr bei Gladbach sogar der Hersteller. Von Kappa ging es zu Puma. Muss man nicht noch einen draufsetzen?
Wir machen uns schon Gedanken und sagen: Ja, eigentlich müssten wir es nochmal wagen. Aber wenn, das steht fest, muss es genauso originell werden. Und das ist ja durchaus eine Herausforderung.

Und nun zur wichtigsten Frage: Wie hat sich das edle Hemd verkauft?
Sehr gut. Aber das lag nicht nur an uns, sondern vor allem an einem sehr schönen Trikot, das sehr gut bei den Fans ankam.

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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