Mit dem SUV durchs Web
Online Marketing

Mit dem SUV durchs Web

Der Konzepter und UX-Experte Niklas Jordan will Websites nachhaltiger machen. Wir haben ihm #nureinefrage gestellt. 

von Redaktion
© Unsplash/ Montage Niklas Jordan

Unsere Frage: Niklas, Nachhaltigkeit ist gerade überall ein großes Thema. Zum Beispiel in unseren Kühlschränken, bei unserer Kleidung und neuen Möbeln. Doch wie nachhaltig ist eigentlich eine Website – und was können UX-Experten für eine grüne Lunge im Web tun?

„Bitte denken Sie an die Umwelt, bevor Sie diese E-Mail ausdrucken!” Wer hat diesen Satz noch nicht gelesen? Er erscheint gerne in der Signatur von Mails und ist für jeden von uns, ob Hobby- oder Berufssurfer, leicht verständlich. Wir lesen ihn und folgen – hoffentlich – dieser klugen Empfehlung: Die Mail drucken wir, solange es sich vermeiden lässt, nicht auf den wertvollen Rohstoff Papier. 

Bei Produkten des täglichen Bedarfs wie der Bio-Kartoffel achten wir auf kurze Lieferwege für einen möglichst geringen Energieverbrauch. Sobald es aber um virtuelle Prozesse geht, die wir nicht anfassen oder sehen können, setzt unser Umweltbewusstsein aus. Oder hast du schon mal recherchiert, ob das soziale Netzwerk deiner Wahl mit erneuerbaren Energien betrieben wird?

Jedes Jahr steigen die Datenmengen

Auf Instagram, YouTube und Co gibt es keine Signatur: „Bitte denke an die Umwelt, wenn du Bilder bei uns hochlädst.” Der sozialen Selbstdarstellung wäre damit nicht geholfen, dem Emissionsausstoß aber umso mehr.

Je mehr Animationen auf einer Seite sind, desto mehr Energie benötigen Server und Endgeräte, um sie zu laden. So steigt der Emissionsausstoß.

Von Jahr zu Jahr steigen die Datenmengen, die Websites produzieren. „Früher” bestanden Seiten nur aus reinem Text, schwarz auf weiß. Heute kommt keine Website mehr ohne hochauflösende Fotos, Videos und verspielte Animationen aus. Das lässt zwar unser unterhaltungshungriges, nicht aber unser umweltbewusstes Herz höherschlagen. Jedes Katzenvideo und jede Blockbuster-Werbung benötigt Datenpakete. Für die HD-Auflösung werden die Pakete natürlich noch größer. Am Ende der Ladekette ist die Rechnung ganz einfach: Je mehr Animationen auf einer Seite sind, desto mehr Energie benötigen Server und Endgeräte, um sie zu laden. So steigt der Emissionsausstoß.

Der Energiehunger der Websites

Dazu kommt: Auf vielen Seiten wird Werbung geschalten. Schrille Farben und bildschirmfüllende Videos sollen unsere Aufmerksamkeit erhaschen. Das gelingt nicht immer, aber Energie ziehen sie in jedem Fall. Medien wie ZEIT ONLINE, diverse andere Web-Publisher und Blogs nutzen die zum Teil grafisch aufwendigen Anzeigen, um sich zu finanzieren. Einmal geschalten, wollen die Unternehmen natürlich wissen, wie erfolgreich ihre Werbung ist. Es geht um Reichweite, Verkauf und Nutzeranzahl. Diese Analysetools erhöhen nochmals den Energieverbrauch.

Diesen Energiehunger der Websites, auf denen wir alltäglich surfen, nehmen wir kaum wahr. Das liegt daran, dass sich über die Jahre nicht nur die Datenmenge des Webs erhöht hat. Auch unsere eigene Bandbreite ist größer geworden, besser gesagt die Bandbreite unserer Modems. Mit einem 56k-Modem kämen wir heute nicht mehr weit. Im 21. Jahrhundert nutzen wir 100 Mbit und mehr.

Den Energiehunger der Websites nehmen wir kaum wahr.

Das ist an den Webentwicklern, Designern und Agenturen natürlich nicht vorbei gegangen. Mit höherer Geschwindigkeit streuen sie immer größere Inhalte, um unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen. Da heißt es: Im Zweifel lieber ein Bild zu viel als zu wenig auf die Website. Schwups ist der SUV statt des Fahrrads im Web unterwegs!

Der Schweriner Niklas Jordan will das Internet nachhaltiger machen. ©Privat

Doch wie unsere Websites nachhaltiger machen? Der größte Hebel ist die Energiequelle, mit der der Server betrieben wird. Große Player wie Apple, Facebook und Google stellten bereits vor einigen Jahren ihre Energieversorgung auf erneuerbare Energien um. Einige andere, beispielsweise Twitter, setzen bis heute auf fossile Brennstoffe.

Aber auch wir, die kleineren Player (Webentwickler, Designer, Agenturen, Projektmanager und Auftraggeber), tragen Verantwortung. Wir müssen alle mehr Wert auf die Energieeffizienz unserer Website legen.

Trotz der enormen CO2-Bilanz könnte das Internet auch zum Klimaretter werden.

Nachhaltig – und schnellere Ladezeiten

Dabei können Performance-Budgets helfen. Mithilfe solcher Budgets begrenzen wir die Datenmenge einer Website. So kann der Webdesigner bestimmen, dass keine seiner Seiten größer als 1,5 MB sein soll. Das sorgt im Umkehrschluss natürlich dafür, dass er genau überlegen muss, welche Inhalte auf der Website benötigt werden und welche überflüssig sind. Eine solche Reduzierung wirkt sich nicht nur positiv auf den Energieverbrauch aus. Sie sorgt auch dafür, dass Nutzer die Website schneller laden können.

PS: Trotz der enormen CO2-Bilanz könnte das Internet auch zum Klimaretter werden. Der Übergang von alten Industrien und Dienstleistungen zum Internet hat Potenzial. Bis 2020 können bis zu 8 Milliarden Tonnen CO2 eingespart werden. Der prognostizierte Emissionsausstoß von 1,4 Milliarden Tonnen durch das Internet wäre mehr als ausgeglichen.

Telefonkonferenzen reduzieren Abgase

Weitere Einsparpotenziale liegen im Bereich Verkehr und Mobilität. Durch Telekonferenzen reduzieren wir Geschäftsreisen bereits um 30 Prozent. Das sind 30 Prozent weniger an Flugzeug- und Autoabgase, die zulasten der Umwelt gehen. 

Wenn wir wollen, können wir also beides: Saubere und grünere Websites entwickeln und die Potenziale des Internets nutzen. Wir müssen uns nur stärker den Konsequenzen unseres (digitalen) Handelns stellen. Vielleicht sogar vor jedem hochgeladenen Selfie fragen: „Denken wir gerade wirklich an unsere Umwelt?!

Quick & Dirty

Deine ungefilterte wöchentliche Arbeitszeit: ca. 70 Stunden (inkl. Sideprojects und Bildung)

Dein Lieblingstool: Ganz klar: Grammarly.

Diese Menschen inspirieren Dich: Dirk Steffens, Kyle MacDonald, Joshua Davis & Tristan Harris

Deine größte Herausforderung: Zeitmanagement ;-)

Mein nächster Vorsatz: Segeln lernen.

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Redaktion

Das sind die sechs Mädchen und Jungs von GrowSmarter. Sie recherchieren, denken und schreiben mit Liebe über die Hacks aus aller Welt. 

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