Mobile ist in unterschiedlichen Entwicklungsstadien
Online Marketing

Mobile ist in unterschiedlichen Entwicklungsstadien

Oliver Stein ist als deutscher Top-Manager für das Tech-Unternehmen Leanplum tätig. Im Interview verrät er, wie in Echtzeit Kundenkontakte entstehen.

von Hannes Hilbrecht
Oliver Stein ist einer der deutschen Top-Manager und hat unter anderem für Dell gearbeitet. © Leanplum

Oliver, ich stelle mir Deinen Job bei Leanplum, einer Mobile-Marketing-Plattform, sehr zahlenlastig vor. Hast Du als Manager eigentlich eine Lieblings-KPI?
Meine Lieblings-KPIs drehen sich immer um Mitarbeiter. Ich habe in meiner Karriere gelernt, das eine gute Technologie dich zwar zum Verhandlungstisch bringt, aber nur der gute Kontakt zwischen Mitarbeitern und Kunden dich gewinnen lässt. Zufriedene, motivierte Mitarbeiter sind die Basis zum Erfolg. KPIs zur Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiter-Turnover sind für mich essentiell.

Ihr stellt Echtzeit-Kontakte zwischen Unternehmen und Kunden her: Was ist neben dem zufriedenen Mitarbeiter die entscheidende Variable, damit diese Kontakte für eure Partner erfolgreich verlaufen?
Es können viele Faktoren Einfluss auf den Erfolg haben. Auf der strategischen Seite sollte einer guten personalisierten Engagement-Strategie eine ebenso starke A/B-Testing- und Analyse-Strategie gegenüber stehen.

Nur Engagements, die strategisch getestet und ausführlich analysiert werden, können letztendlich den größten Erfolg verbuchen.

Eine Strategie, die alle Komponenten beinhaltet, ist die entscheidende Variable. Hier geht es darum, die beste Zeit, die beste vom Kunden bevorzugte Kommunikationsmöglichkeit und die richtigen personalisierten Inhalte zu finden.

Was ist die größte Stärke von Eurem Tool/Produkt?
Unsere Lösung bietet eine intuitive Oberfläche für alle möglichen Formen des personalisierten Kunden-Engagements (z.B. durch Push-Nachrichten, E-Mail, In-App etc). Dazu kommen sehr breite Möglichkeiten, diese in A/B-Tests zu durchlaufen und dann im Detail zu analysieren. Dies eröffnet viele Möglichkeiten, den gesamten Lifecycle des Kunden zu adressieren und zu personalisieren. Aber auch die Rückgewinnung von Kunden (die Festigung der bestehenden Kundenbeziehung & die “Reaktivierung” inaktiver User) ist bei uns ein zentrales Thema. Viele unserer Kunden wie Lovoo, Tesco oder Tinder nutzen unsere Lösung für alle Etappen des Customer Lifecycles. Unser Produkt ermöglicht es Marketing- und Produktteams, mit derselben Softwarelösung zu arbeiten und auf die gleichen Tests und Daten zurückzugreifen. Dies stärkt die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Teams und fördert dadurch eine integrierte Feature- und Produktentwicklung sowie Kundenstrategie.

Die Umstellung auf Mobile ist in unterschiedlichen Entwicklungsstadien in Europa.

Was ist die größte Herausforderung in Deinem Job?
Der Fokus auf die richtigen Länder, aber auch auf die richtigen Kunden. Die Umstellung auf Mobile ist in unterschiedlichen Entwicklungsstadien in Europa. Zudem sind in der heutigen Zeit das oben schon angesprochene Finden und Entwickeln von guten Mitarbeitern sowie die Sorge dafür, dass sie auch in der Firma bleiben, einige der größten Herausforderungen für jedes Unternehmen.

Welche technische Innovation hättest Du lieber gestern als heute am Start?
Hier würde ich mich für 5G Die neue Generation mobiler Netzwerke - sozusagen die Weiterentwicklung von LTE und 4G entscheiden: Der neue Standard wird viele Möglichkeiten vor allem für App-Hersteller und Kunden eröffnen und die Mobilität nicht nur auf mobile Geräte, sondern auch in den Haushalt bringen.

Wir stellen uns die Frage sehr oft, weil wir nur schwer eine Antwort finden: Was wird nach Mobile kommen?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke "mobile" wird bleiben, aber mobile Geräte werden sich verändern: Sie werden stärker durch künstliche Intelligenz, Spracherkennung und Video bestimmt sein. Außerdem findet eine größere Personalisierung statt, und die Geräte werden sowohl Zuhause und im Büro integriert sein.

Diese Geschäftsumstellung ist nicht aufzuhalten, erfordert aber Umdenken und schnelle Reaktionen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wo siehst Du Deine größte Herausforderung der nächsten Jahre?
Für Unternehmen sehe ich die größten Herausforderungen in den großen klassischen Firmen. Die, wie alle anderen Firmen auch, mobile Lösungen adaptieren müssen. Diese Unternehmen haben zur Zeit Geschäftsmodelle, die nicht auf ein mobiles Angebot fokussiert  sind. Aber die Kunden werden in Zukunft vor allem – oder fast nur – auf ihren mobilen Geräten erreichbar sein. Diese Geschäftsumstellung ist nicht aufzuhalten, erfordert aber Umdenken und schnelle Reaktionen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hier sehe ich auch für mich meine größte Herausforderung – denn diese Aufgabe wird auch von mir viel Überzeugungsarbeit erfordern.

Wie hat Euch eigentlich die Datenschutz-Grundverordnung auf dem europäischen Markt getroffen?
Es gibt hier sowohl Nach- als auch Vorteile. Die Herausforderungen bestehen vor allem in der Erreichbarkeit für gezieltes personalisiertes Marketing, das nicht als störend empfunden wird. Kunden sind infolge der neuen Datenschutz-Grundverordnung schwieriger zu erreichen und werden dadurch vielleicht nicht mehr gut mit Neuigkeiten und Informationen versorgt, selbst wenn sie diese eigentlich gerne erhalten würden. Diese Kunden müssen nun selbst den ersten Schritt gehen und sich kundig machen. Für uns ist es schwieriger geworden, Kunden zu erreichen, die noch nicht in Kontakt mit Leanplum sind, für die unsere Software-Lösung aber interessant und wichtig sein könnte. Doch es gibt auch große Vorteile: Die liegen vor allem im Kundenvertrauen. Wenn man als Firma wie Leanplum deutlich zeigen kann, wie mit den Daten des Kunden sicher umgegangen wird, erhöht dies das Vertrauen in die Geschäftsbeziehung enorm.

Anderes Thema. Dein Lebenslauf liest sich beeindruckend. Quest, Dell, Atlassians, Otimizely und nun Leanplum: Was sind die signifikanten Unterschiede in der Arbeit für einen Konzern wie Dell und einem "kleineren" Unternehmen wie Leanplum?
Firmen wie Leanplum leben durch die intimen Kundenbeziehungen. Diese werden durch den persönlichen Kontakt und das schnelle Reaktionsvermögen aufgebaut. Größere Unternehmen können im Gegensatz zu kleinen die Kundenbeziehungen oft nur automatisieren und auf Marktveränderungen lediglich langsam reagieren. Die Schlüssel zum Erfolg sind aber die innerbetrieblichen kurzen und flexiblen Wege zu Entscheidungen. Damit meine ich:  Das schnelle Integrieren von Veränderungen in Prozesse sowie die schnelle Neuausrichtung auf Marktveränderungen.

Welche Stelle hat Dich warum am meisten geprägt in Deiner Karriere?
Meine Zeit bei der Sitraka/KL Group hat mich wahrscheinlich am meisten geprägt. Dies war das erste Start-up, in dem ich mit einer leitenden Funktion den EMEA-Markt Ist eine Abkürzung für den Wirtschaftsraum Europa-Arabien-Afrika. aufgebaut habe. Du kannst Dir sicher vorstellen, dass man da sehr viel Neuland betritt und viel lernt. Seitdem habe ich dieses angeeignete Wissen immer wieder gebrauchen und ausbauen können.

Am Ende des Tages sollte man aber jeden Vorgesetzten und Kollegen als Mentor sehen. So lernt man am meisten.

Hattest Du auch einen Mentor, jemanden, der Dich gefördert hat?
Ich hatte in meiner Karriere viele Manager und Kollegen, die mich geprägt haben. Oft sind es kleine Dinge, die man sich abschaut, um seinen eigenen Stil zu verbessern und anzureichern. Aber man lernt durch diese Beziehungen auch die eigene Geduld und Voraussicht immer weiter auszubauen und dadurch selbst als Vorbild weiter zu wachsen. Positive Beispiele waren für mich Linda Crawford (CEO von Helpshift), David Schwarzbach (CFO Optimizely) und Larry Humphries (CEO Sitraka). Am Ende des Tages sollte man aber jeden Vorgesetzten und Kollegen als Mentor sehen. So lernt man am meisten.

Man liest im Bereich New Work viel Gutes über Leanplum. Ihr seid ein Unternehmen, heißt es, dass sich bemüht, die Mitarbeiter auch zwischenmenschlich zu erreichen. Wie muss man sich das vorstellen?
Wie bereits angesprochen, sehe ich Mitarbeiter als den wichtigsten Faktor, um erfolgreich zu sein. Gute Kollegen langfristig an die Firma zu binden, ist dafür unerlässlich. Flexibilität, aber auch die Möglichkeit, Persönliches und Berufliches zu verbinden, sind dafür essentiell. Leanplum geht hier einen eigenen Weg. Und wir haben viele Möglichkeiten gefunden, dies zu tun: Jeden Freitag gibt es ein sogenanntes "Unwind-Meeting”, bei dem Mitarbeiter über ihre "Highs & Lows" der Woche sprechen – und zwar nicht nur im beruflichen Kontext, sondern auch über private Erfahrungen und Ereignisse der Woche. Des Weiteren haben wir sogenannte "Big Talk Lunches" – diese bestehen vor allem aus einem Kartenspiel. Und zwar stehen auf diesen Karten Fragen, die nicht unbedingt beruflicher Natur sein müssen. Es stellen sich alle untereinander Fragen wie "Wenn du einen Wunsch frei hättest, welcher wäre das?". Das Ganze ist durchaus persönlich und auch philosophisch. Auf diese Art und Weise lernen sich Mitarbeiter besser kennen und rücken zusammen. So schaffen wir eine vertraute und entspannte Atmosphäre.

Nun ist Leanplum ein sehr zahlenbasiertes Unternehmens. Wie werden Mitarbeiter abseits der faktischen Erfolge oder Misserfolge von Dir bewertet?
Meiner Meinung nach sind Erfolge, also das Erreichen der Ziele oder anderer zahlenbasierter KPIs, nur das Resultat aus den richtigen Aktivitäten. Deshalb versuche ich, vor allem die Aktivitäten der Mitarbeiter zu verfolgen. Hier kann man Einfluss nehmen und den Kurs anpassen. Damit beeinflusst man das bevorstehende Resultat schon im Prozess.

Außerdem sind das Engagement, die Zusammenarbeit und das Mitdenken während des Prozesses für mich Indikatoren für Erfolg.

Oliver, als Angestellter und als Chef: Was ist der nächste Schritt, um Arbeit in Zukunft noch erfolgreicher und attraktiver zu gestalten?
Ich denke, wir bei Leanplum sind da schon weit in der Entwicklung. Das Ziel ist, die Arbeit für Mitarbeiter so zu gestalten, dass sie nicht mehr als Muss oder Zwang gesehen wird. Wir möchten nicht, dass sie eine Nine-to-Five-Mentalität entwickeln. Im Gegenteil: Nur durch einen attraktiven Arbeitsplatz erntet man das Engagement der Mitarbeiter, das dann wiederum das Erreichen von den gewünschten KPIs ermöglicht. Es ist immer wieder neue Kreativität, Engagement und schnelles Anpassen an Marktveränderungen gefragt. Es ist eine immer wachsende Herausforderung für jede Firma und ein sehr wichtiges Entscheidungsmerkmal, um die besten Mitarbeiter anzuziehen. Ein Arbeitsklima aufzubauen, in dem sich Mitarbeiter wohl und als Teil der Firma und der Firmenentscheidungen fühlen, ist letztendlich der beste Weg zu kontinuierlichem Erfolg.

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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