NOV: 65 Top-Nachwuchskräfte mit sportlichem Recruiting
New Work

NOV: 65 Top-Nachwuchskräfte mit sportlichem Recruiting

Manchmal hat es Vorteile, Sport-Fan zu sein. Ein US-Ölunternehmen schaute beim American-Football ab und verstärkte sein Unternehmen besonders nachhaltig mit jungem Personal.

von Hannes Hilbrecht
Recruiting mal anders dank Draft-Day © Photo by Stephen Baker on Unsplash

Die Vorgeschichte:

Wir geben zu: Die Geschichte hinter diesem Recruiting-Artikel ist nicht wirklich aktuell. Sie ist für digitale Verhältnisse sogar steinalt, fossil sozusagen, schließlich geht es um Öl.

Na gut: So verkrustet wie die berühmte Werbeannonce vom Abenteurer Ernest Schakleton ist diese Geschichte auch wieder nicht. Und sie ist definitiv deutlich jünger als die Idee des Soldaten-Werbers Uncle Sam.

Wir schreiben das Jahr 2003. Pete Miller ist Chef des großen US-Ölkonzerns National Oilwell Varco (NOV). Das Unternehmen läuft nach einigen Krisen wieder gut, der Gewinn rattert zeitgleich mit dem Öl durch die Raffinerien. Doch Miller wird sich während einer Vorstandssitzung eines Problems bewusst: Der Führungszirkel ist veraltet. Ein Großteil der Top-Mitarbeiter wurde direkt nach dem 2. Weltkrieg geboren. Dem Öl-Riesen fehlt der Nachwuchs.

Alles ist größer in Texas

Bei kleineren Firmen das Top-Personal abzuwerben, kommt für Miller aber nicht in Frage. Sie müssen wissen: Das Unternehmen NOV sitzt in Houston. Und in Texas gehört Übermut nun einmal zum Alltag wie die sonnengegerbten Gesichter, Cowboyhüte und das Gegrillte vom Rind. Miller denkt:

Wieso bei anderen Firmen abwerben, wenn wir doch die besten sind. Wir können uns nur verschlechtern.

Die Firma startet eine große Aktion an US-Universitäten. NOV will junge Menschen aus anderen US-Bundesstaaten und ausländische USA-Studenten gewinnen. NOV ist weltweit aktiv. Nun soll auch das Unternehmen auch intern global aufgestellt werden. Der Generationenwechsel soll externe Kompetenzen nach Texas bringen und neue Sprachenkenntnisse etablieren. Das Unternehmen führt hunderte Interviews. Knapp über siebzig Kandidaten schaffen es ins Probe-Jahr. 

Sportliches Recruiting

Wie die meisten Texaner liebt Miller American Football. Der Sport wird von Millionen Fans beinahe religiös verehrt. Sonntags geht der US-Amerikaner erst in die Kirche und dann ins Wohnzimmer. Die meisten Spiele beginnen um 13 Uhr Ortszeit. Manche nennen den Sportnachmittag die "Messe nach der Messe".

Der NOV-Boss schielt besonders hinter die Kulissen des Sports. Einmal im Jahr wird in der Football-Liga NFL der sogenannte Draft durchgeführt. Nacheinander dürfen die US-Footballteams sich die besten Talente aus dem Hochschulsport aussuchen. Das Team, das im Vorjahr am schlechtesten war, darf anfangen und den begehrtesten Sportler verpflichten. Das geht für 32 Teams über 7 Runden. Über 200 Spieler werden am Draft-Wochenende ausgewählt. Regionale Verflechtungen spielen keine Rolle. Talente, die ihr Leben bisher an der Westküste verbracht hatten, werden über Nacht nach Miami oder New York verschifft. Es geht darum, dass sich die schlechtesten Teams schnell verbessern.

Die Idee von Miller: Dieses Draft-System in die Recruitings-Prozesse seines Unternehmens integrieren.

Die ausgewählten Studenten, 71 Stück, werden ein Jahr lang im Unternehmen herumgereicht. 3 Monate am Stück arbeiten sie in unterschiedlichen Abteilungen und bekommen die Chance, sich zu beweisen. Nach dem Ende der drei Monate wechseln sie in die nächste Sparte des Unternehmens. Von ihren Abteilungsleitern bekommen sie Bewertungen.

Talentierter Nachwuchs für schwache Units

Nach 12 Monaten und vier Stationen hat jeder Neuling sein Profil. Die einzelnen Abteilungen bestimmten zudem den "Value" (Wert) der Nachwuchskräfte. Der Wunsch von Miller kann umgesetzt werden. Es wird gedrafted.

Kein Witz: Die NOV-Unit, die im Vorjahr die schlechtesten Zahlen abgeliefert hatte, darf sich entweder die talentierteste Nachwuchskraft aussuchen oder den Job-Anwärter, der in der eigenen Unit besonders überzeugen konnte. So geht es über drei Runden. In der ersten werden 15 Talente ausgewählt, in Runde zwei und drei bekommen jeweils 25 Novizen ihre Festanstellung in der Firma. Aus 71 akzeptierten Bewerbern werden 66 dauerhafte Angestellte.

Das sagte Pete Miller im Jahr 2006:

As a result of this process, we have job fits that are better for the candidates, and in which they will create greater value for the company than in the traditional process. Plus, it’s fun.

(Übersetzung: "Als Ergebnis haben wir Jobs, die besser zu unseren Kandidaten passen. Deshalb werden sie für unser Unternehmen einen höheren Wert entfalten als wenn wir sie auf traditionelle Art angestellt hätten. Und: Es hat Spaß gemacht.")

Vorteile:

  • Es wurde nicht nur das Draft-System kopiert, sondern auch ein Football-Motto in den Firmen-Alltag übersetzt: Allways Compete. Die Konkurrenzsituation und die kurzen Bewährungszeiten in den Abteilungen spornten die Job-Anwärter zu guten Leistungen an.
  • Für die Job-Anwärter hatte der Bewerberprozess einen spannenden Vorteil: Durch die Erfahrungen in den verschiedenen Abteilungen lernten sie a) was sie gut können und b) in welchen Bereichen sie tatsächlich arbeiten wollen.
  • Die Abteilungen, die am dringendsten hochqualifizierten Nachwuchs benötigten, konnten sich gezielt verstärken.
In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

Kommentieren

Neuen Kommentar schreiben