Stick & Stones: Diversity macht Unternehmen erfolgreicher
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Stick & Stones: Diversity macht Unternehmen erfolgreicher

Stuart B. Cameron bringt Diversity in Großkonzerne. Wie er das schafft, und warum eine tolerante Firmenkultur vieler Vorteile hat, erzählt er im Interview.

von Hannes Hilbrecht
Stuart B. Cameron setzt sich für Diversity ein. © Stick & Stones

Stuart, was verbirgt sich hinter Stick & Stones?
STICKS & STONES ist Europas größte Jobmesse & digitale Plattform für LGBT+ und Hetero-Freunde. LGBT+ steht hier für lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle ArbeitnehmerInnen. Wir sind die Bühne für "stolze Unternehmen", die Vielfalt fördern und LGBT+ Diversity leben. Mit uns setzen Arbeitgeber ein ganz klares Signal für Talente & Professionals: "Wir wollen Dich nicht aufgrund Deiner sexuellen Identität. Wir investieren in Talente, irrelevant ob Du weiblich, männlich, homosexuell, bisexuell oder transsexuell bist." Wer sich in einem toleranten Arbeitsumfeld beruflich weiterentwickeln möchte, ist bei uns an der richtigen Adresse.

Warum diese Messe?
Ziel ist es, die Arbeitsmarktsituation für unsere Zielgruppe in Deutschland weiter zu verbessern. Es geht voran, aber wir sind noch nicht am Ziel. Deutschland ist zu langsam. US-Tech-Unternehmen investieren mittlerweile sehr viel in Diversity – vor allem Geld. Facebook z.B. über 10 Millionen Dollar, Apple 50 Millionen Dollar, Google 150 Millionen Dollar und Intel 300 Millionen Dollar. Das macht bisher kein einziges deutsches Unternehmen. Für jede Berufsgruppe gibt es unterschiedlichste Jobmessen. Für die LGBT+ Gemeinde sah das vor acht Jahren noch ziemlich trostlos aus, ein konkretes Angebot für LGBT+ gab es einfach nicht. Mit der STICKS & STONES geben wir Unternehmen die Chance, sich als tolerante und weltoffene Arbeitgeber zu präsentieren. Mittlerweile engagieren sich über 100 Unternehmen bei der STICKS & STONES. Dazu gehören Allianz, McKinsey, Google, EY, thyssenkrupp oder SAP.

Unternehmenskultur als wichtige Variabel

Musst Du mit Deinem Team noch viele Unternehmen überzeugen?
Gott sei Dank hat sich seit der SXS-Premiere vor acht Jahren viel getan. Die meisten der 500 größten Unternehmen Deutschlands haben Diversity auf dem Schirm, allerdings gibt es alleine in Deutschland über 7.000 börsennotierte Unternehmen, wir haben also noch viel Arbeit vor uns. Seit fünf Jahren sind wir immer ausgebucht. Firmen, mittelständische Unternehmen und Konzerne rennen uns das Haus ein. Der Anspruch und das Bewusstsein, sich vor potenziellen Arbeitnehmern als diversity-freundliches Unternehmen zu präsentieren, wächst stetig. Grund für uns das Angebot der SXS um ein Online-Karriereportal zu erweitern. 365 Tage Karrierenews, Jobs, Event Tipps, Förderprogramme und eine Online-Community.

Wie habt ihr das geschafft?
Wir waren von unserem Plan überzeugt, und auch als es zu Beginn schwierig war, haben wir weitergemacht. Unternehmen angeschrieben, uns vorgestellt, ein Netzwerk aufgebaut. Ist die Idee gut, braucht es manchmal nicht mehr als Geduld & UnterstützerInnen.

Das ist unser kleines Geheimnis. Es gibt aber nicht den wichtigsten Kanal.

Was war euer wichtigster Kanal, um zu wachsen? (YouTube, Facebook, Xing?)
Das ist unser kleines Geheimnis. Es gibt aber nicht den wichtigsten Kanal, genau wie unsere Zielgruppe sind wir in vielen Kanälen gleichzeitig umtriebig. Unser größten Vorteile sehen wir in unseren eigenen Communities wie Unicorns in Tech mit fast 3.000 Mitgliedern, unser Panda Women Leadership Network mit über 1.000 Mitgliederinnen oder unser Juristennetzwerk ALICE mit knapp 400 (angehenden) Top-Juristen.

Gab es eine smarte Entscheidung, die euch besonders weit gebracht hat?
Sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren und nicht so sehr auf die angebliche Konkurrenz.

Ich habe letztens eine Statistik gelesen, dass für junge Arbeitskräfte die Toleranz als Merkmal der Unternehmenskultur unglaublich wichtig ist. Bis zu 70 Prozent der Jobsuchenden (Link) machen sich darüber Gedanken und beziehen diesen Faktor in ihre beruflichen Entscheidungen ein.
Das ist auch so. Wenn top ausgebildete Arbeitskräfte zwei Jobangebote bekommen mit einem ähnlichen Gehalt und einem gleichen Aufgabenspektrum, wird die Unternehmenskultur zur wichtigsten Variablen. Die Menschen möchten sich im Job wohlfühlen, sie möchten sich vorstellen können, dass ihre Freunde oder Familienmitglieder dort willkommen wären. Egal, ob sie nun schwul, lesbisch oder hetero sind.

Ihr habt das Siegel "Pride 500" erfunden. Zu den Ausgezeichneten gehören IBM, DELL, Siemens und viele andere. Was verbirgt sich dahinter?
Wir zeichnen Unternehmen aus, die eine diverse Unternehmenskultur nicht nur etabliert haben, sondern sie auch leben. Jeder Siegelträger ist eine Firma, in der LGBT+ Mitarbeitende keine Nachteile befürchten müssen bzw. auch gefördert werden.

Gut für das Employer Branding

Woher wollt ihr das wissen?
Jedes Unternehmen, das sich bei uns bewirbt, erhält im Rahmen eines Audits einen umfassenden Fragebogen. Hier muss das Unternehmen nicht nur einfach antworten, sondern sich auch selbst bewerten. Wir vergeben anhand dieser ausgefüllten Fragebögen einen Score. Liegt der über 75 Prozent, vergeben wir das Siegel.

So ein Siegel ist sicher gut für das Employer-Branding. Und so manches Unternehmen würde dafür sicher flunkern.
Wenn jemand etwas vorheuchelt, merken wir das für gewöhnlich. Durch die Messen sind wir weit vernetzt. Wir haben viele Kontakte zu und in die Unternehmen. Wir sind also für problematische Firmen sensibilisiert. Wobei auch da oftmals Vorsicht geboten ist. Gerade große Unternehmen können super offen und divers aufgestellt sein, und trotzdem gibt es eine homophobe Abteilungsleiterin, die Menschen aufgrund ihrer Sexualität gängelt.

Flunkern viele?
Nein. Es gibt zwar Unternehmen, die das sogenannte Pinkwashing betreiben, aber wir erkennen dieses Verhalten schnell und lassen die Unternehmen nicht bei uns zu. Diese Unternehmen wollen nur ihre Produkte besser bei Schwulen und Lesben anpreisen. Man erkennt diese Unternehmen meistens daran, dass sie bei einem CSD mitmachen, aber sonst nichts für Ihre LGBT+ Mitarbeiter machen.

Was macht ihr, wenn es Zweifel an der Aufrichtigkeit gibt?
Wir führen Stichproben durch, schauen etwas tiefer ins Unternehmen, machen vielleicht einen Beratungstermin. Und ganz generell gilt: Wenige Firmen flunkern.

Es ist ein Zeichen an die LGBT+ Mitarbeiter und an alle anderen Angestellten, dass diese Firma moderne Werte verkörpert.

Wie nutzen Unternehmen eure Siegel?
Ganz unterschiedlich. Alle haben sie gemein, dass sie stolz darauf sind und es öffentlich verkünden. Und vor allem intern wird dieses Siegel stark gezeigt. Es ist ein Zeichen an die LGBT+ Mitarbeiter und an alle anderen Angestellten, dass diese Firma moderne Werte verkörpert und Diversität lebt.

Auf Karriereseiten habe ich es noch nicht so oft gesehen.
Das kommt noch. Das haben die meisten Firmen klar kommuniziert. Unser Wunsch und unser Ziel ist es, dass die Siegel dort zu sehen sind - als eine Art Trusted Shops für Unternehmen.

Gibt es Unternehmen und Branchen, in denen es Mitglieder der LGBT+ Community besonders einfach haben?
In vielen Großkonzernen sind die Bedingungen aufgrund der hohen Internationalität gut. Allerdings gibt es hier viele Überraschungen auf beiden Seiten. Firmen wie die Allianz, thyssenkrupp, AXA, Bundeswehr, Vodafone oder McKinsey hätten wir vorab vielleicht nicht so positiv eingeschätzt. Doch sie gehören zu den fortschrittlichsten Unternehmen im Bereich LGBT+ Diversity. Anderseits gibt es auch deutsche Konzerne, bei denen man negativ überrascht ist. Da passen die Zustände nicht zum vermeintlichen Employer Branding.

Viele Vorteile

Hast Du ein Beispiel?
Es ist immer schwierig, Namen zu nennen. Deshalb gehen wir lieber mit den positiven Beispielen nach draußen. Wir werden demnächst aber eine Liste veröffentlichen mit den Unternehmen, die sich gegen LGBT+ einsetzen z.B. die Geld für Organisationen spenden, die sich gegen LGBT+ einsetzen.

Wir sprechen über Milliarden-Konzerne. Wie sieht es im Mittelstand aus?
Total unterschiedlich. Die einzige generelle Aussage, die man vielleicht treffen kann, ist: Unternehmen aus den Städten oder deren Umland sind sehr häufig moderner und toleranter eingestellt als Firmen aus der Provinz. Aber auch das stimmt nicht immer.

Was haben Unternehmen davon, wenn sie besonders fortschrittlich sind? Macht das die Angestellten besser?
Die Vorteile von LGBT+ Diversity sind unbestritten. Unternehmen, die Vielfalt fördern, sind erfolgreicher und haben zufriedene Mitarbeiter. Und die Firmen profitieren zusätzlich vom Imagegewinn. Dadurch können sie neue Absatzmärkte erschließen und neue Mitarbeiter gewinnen sowie die bisherigen (ungeouteten) Mitarbeiter stärker an ihr Unternehmen binden.

Ein Mensch, der neben dem Job ein Versteckspiel führen muss, verwendet viel Energie fürs Herumeiern und Lügen. Diesen Einsatz können offen lebende Mitarbeiter viel besser in die Arbeit investieren. Je freier und glücklicher der Mensch ist, desto mehr kann er auch leisten.

Größere Unternehmen setzen mit der Installation von Diversity-Managern ein klares Zeichen.

Was können Unternehmen dafür tun, dass sich Menschen mit anderen Neigungen bei ihnen wohl fühlen?
Es fängt schon beim Leitfaden des Unternehmens an. Wenn Unternehmen schon dort offensiv vermerken, dass jede/r bei ihnen willkommen ist, kann das für die Unternehmenskultur nur gut sein. Größere Unternehmen setzen mit der Installation von Diversity-Managern ein klares Zeichen. Hier gibt es klare Ansprechpartner für Probleme oder Ängste. Alleine die Präsenz eines solchen Organs kann helfen.

Es gibt sicher auch Unternehmer, die Berührungsängste haben. Nicht, weil sie Menschen mit anderen Vorlieben ablehnen, sondern weil sie nichts falschmachen wollen. Welche drei Punkte würdest Du den Arbeitgebern zum Start raten?

  1. Mehr über das Thema LGBT+ lernen, z.B. das Buch von Jens Schadendorf lesen "Der Regenbogen-Faktor: Schwule und Lesben in Wirtschaft und Gesellschaft".
  2. Wenn man begriffen hat, dass man über das Thema Talente & Professionals für sein Unternehmen gewinnen kann, dann erste Schritte gehen und ein Gespräch mit Experten suchen.
  3. Machen. Die meisten planen nur, aber machen nichts. Dadurch kommt man aber nicht weiter. Startet mit einer Teilnahme bei Sticks & Stones und lernt von den Erfahrungen.
Wir haben eine Frage vergessen?

Kein Problem. Hier darfst Du Stuart fragen!

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In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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