10 GrowSmarter-Hacks: Very nice Kraut-Dudes
Online Marketing

10 GrowSmarter-Hacks: Very nice Kraut-Dudes

Wie entwickelt man ohne großes Budget und mit nur einem Redakteur ein Online Magazin? GrowSmarter-Autor Hannes Hilbrecht verrät seine persönlichen Hacks.

von Hannes Hilbrecht
GrowSmarter-Autor Hannes ist die Schreibmaschine der Redaktion. ©rawpixel/Unsplash

Prolog:

A-füll-iateee.

Ich habe es wirklich so gesagt. In einem Meeting. In einer Digital-Agentur. Vor dem Chef. An meinem ersten Arbeitstag. Ich wollte eigentlich Affiliate sagen. Mein Marketing-Vokabular war fürn Arsch.

Aber: Das war der Startschuss.

Vor genau einem Jahr starteten wir bei MANDARIN MEDIEN ein Projekt, das für uns schon vor dem Launch ein experimentelles Abenteuer war. Wendungs- und erlebnisreicher als der Pippifax von Huckleberry Finn. Wir verschoben fünfmal unseren Launchtermin. Versagten und verwarfen. Und sind trotzdem stolz drauf. Unser Jahr vor dem Launch in 10 Hacks:

1. Becomming is better than beeing

Ich persönlich wikilasiere ja gerne. “Wikilasieren” ist kein besonders intelligentes Wortspiel. Es besteht aus Wikipedia und Eskalieren. Was es bedeutet? Manchmal lese ich mich 3 Stunden lang kreuz und quer durch Wikipedia-Einträge. Natürlich nicht während der Arbeitszeit. Ich starte meist bei einem Wikipedia-Eintrag zu Dick Cheney und lande bei Nordhäuser Doppelkorn.

Neugierde und Wissensdurst sind wichtige Eigenschaften, wenn man ein Magazin mit Inhalten füllen möchte.

Am Anfang stand die Recherche. Stunden, Wochen, Monate suchten wir nach Content, nach Inspiration. Das Gute ist: Wenn man nichts weiß, bleibt viel Raum zum lernen. Vor allem aber stand ich der Wissensvermittlung von Autoren und Podcastern sehr kritisch gegenüber: Bei welchen Formaten lernte ich schnell dazu? Welche Fragen möchte ich  beantwortet wissen?

Was langweilt, was interessiert mich? Sind manche Marketer nach fünf Jahren Studium und zehn Jahren Arbeit abgestumpft und informationsresistent, war ich das Gegenteil: Total angefixt. Ich las alles das erste Mal. Boah, ein Referral. Ui, ein Influencer!

Da es kein vorhandenes Wissen gab, das ich hätte einzäunen könnten, durfte ich barrierefrei denken. Oder wie die Stanford-Psychologin Carol Dweck schreibt: Becoming is better than being.

Tipp: Unversaut und mit Begeisterung starten!  Funktioniert übrigens im Marketing häufiger als man denkt. Dann nämlich, wenn marketingfremde Abteilungen auf die genialsten Marketing-Ideen kommen.

2. Was wir von Kindergeburtstagen lernten

Ich habe es leider selbst erlebt. Ich lud zu meinen 16. Geburstag ein, wollte richtig groß auftragen. Es gab nur ein großes Problem: Ich wohnte am Rande der Welt. Was die Dorfjugend als die “Perle Mecklenburgs” verklärte, brähmten alle anderen als “Loch vor Polen”. Die meisten geladenen Gäste deuteten Bedenken an: 30 Kilometer für ein paar Biermischgetränke fahren? Das war für die meisten zu viel Aufwand für zu wenig Ertrag. Dann lud ich Kevien ein (so wurde er geschrieben), den Coolsten des Jahrgangs. Ich überzeugte ihn mit einer halben Flasche Rum und einem kostenlosen Abholservice. Der Alpha-Kevien sagte zu, und auf einmal wollten sie alle kommen. Die Jungen und besonders die Mädchen.

Dank dieser Lehre wussten wir im Team schnell: Wir brauchen einen Star, einen Lead-Interviewpartner, mit dem jeder gerne mal auf einer Bühne stehen würde.

Unser erster Leadgitarrist war Nic Lecloux von True Fruits. Und als bestes Zugpferd folgte Beat Bühlmann von Evernote, um den wir mehrere Monate als Interviewpartner buhlten. Nachdem wir den Namen “Bühlmann” in Interviewanfragen droppten, stieg die Reaktionsquote auf unsere Pitches dramatisch.

Das Bühlmann-Interview war für übrigens ein echtes Highlight - er ist einer unserer absoluten Vorbilder im Bereich der New Work. (das Bühlmann-Interview erscheint am 8. Oktober)

Tipp: Wenn ihr selber (noch nicht) cool genug seid, ladet euch tolle Gäste ein.

3. Jede Mail ein Pitch

Die Herausforderung bei jeder Interview-Anfrage: Wie wirbt man für sich, wenn es noch nichts zum Vorzeigen gibt?

Uns war klar: Jede Anfrage müssen wir so liebevoll gestalten wie einen Kunden-Pitch.  Wir fragten uns: Was haben wir irgendwann (hoffentlich) mal zu bieten? Wie formulieren wir unseren Ansatz so, dass er die Touchpoints der “Zielperson” ideal anspricht?

Unser Ansatz: WIN-WIN-WIN-Situationen kreieren. An erster Stelle: Welche Themen sind für die Leser interessant und helfen ihnen weiter? Dann: Welche smarten Personen könnten sich auf einer Bühne, die GrowSmarter heißt, wohlfühlen und mitmachen wollen? Und ganz zuletzt: Welche Interviewpartner unterstützen unser Wachstum strategisch?

Mit diesem Approach gingen wir in jedes Mailing. Das Gießkannenprinzip lehnten wir ab. Unsere Conversion-Rate lag am Ende bei knapp 40 Prozent.

Tipp: Quick and dirty ist nicht immer sexy.

4. Learning Englisch

Unsere Lösung für eine kleine Prise USP: Wir suchen uns fachkundige Unterstützung aus Übersee. Blicken in die USA, schauen nach Kanada und Neuseeland. Wir wollen mit Leuten sprechen, die dort erfolgreich und ziemlich smart sind. Und vor allem wollen wir, dass die für uns schreiben.

Das Problem: Ich spreche kein gutes Englisch. Schreiben und verstehen, klar das geht. Aber die verbale Kommunikation ist eine Beleidigung für jeden Native Speaker.

Trotzdem telefonierte GrowSmarter in den vergangenen Wochen und Monaten mehrmals erfolgreich (über Muddis Festnetz) in die Staaten. Und wir konnten jedes Gespräch "nice" zu einem Ende führen. Unsere Leser dürfen sich auf Texte von Edelfedern wie Mikael Cho und Jon Westenberg freuen.

Tipp: Mein Superhack für alle Knowledgeworker mit akuten Englisch-Problemen: Privat führe ich Gespräche mit Freunden hauptsächlich auf Englisch. Das festigt das Vokabular und macht Mut. Learning by Doing. Außerdem kann man manche Dinge ganz wertfrei überhören.

5. Kill Your Darlings

“Kill your Darlings” war das schwierigste Learning in meiner bisherigen Laufbahn als Autor. Als ich im Jahr 2015 bei ZEIT ONLINE hospitierte, stolzierte ich breitbrüstig ins Redigatur-Kabuff ein und verließ es als gebrochener Anfangzwanziger.

Der Spruch “Kill your Darlings” löst bei mir ein ambivalente Empfinden aus. Man soll das löschen, ausblenden oder verwerfen, was einem am besten gefällt. Wie soll man das verstehen? Wenn sogar erfahrene Redakteure sagen: “Tolle Formulierung. Aber schmeiß sie lieber raus.”

Bei GrowSmarter killten wir auch so manches Lieblingstool oder Lieblingsformat. Große Würfe wären dabei gewesen, viel Feed fürs Ego. Aber was nützt das alles, wenn man sich in der Wurfbewegung überhebt und fällt - oder noch schlimmer: Zu schwer und klobig wird, um beweglich zu bleiben? Gerade in diesen Zeiten.

Tipp: Der Rotstift ist Dein bester Freund. Bleibe leicht und beweglich.

6. Spezialisierte Fachkräfte

Unser GrowSmarter-Team besteht im Kern aus fünf kreativen Köpfen. Einem Redakteur, einem Lektor und Redigatur-Guru, einer Expertin für Produktion und Organisation, einer Social Media Koryphäe und einer Spezialistin fürs Seeding. Wie im Lehrbuch konzentrieren wir uns neben den Inhalten stark auf die Distribution. Joe Pulizzi, Mr. Content Marketing, sagte uns, das ideale Verhältnis von Erstellung und Streuung liege bei 20 zu 80 Prozent.

Unser Plus: Die klare Rollentrennung, also dass jeder das macht, was er oder sie am besten kann. Ein großes Problem in deutschen Online-Redaktionen: Tolle Schreibfedern versauern viele Stunden in CM-Systemen, um Artikel zu produzieren und in Redigatur-Kabuffen junge Dilletanten anzulernen. Sie müssen sich Social Media Posts ausdenken und ganz viele Redaktionslisten ausfüllen. Sowas gibt es bei GrowSmarter nicht. Jeder macht das zu 100 Prozent, was er am besten kann und machen möchte.

Tipp: Halte es wie Don Draper. Simple but Signifcant. Nicht nur in der Werbebotschaft. Sondern auch in der Aufgabenteilung Deines Teams.

7. Lass andere für dich arbeiten

So ein Magazin, das sich aus dem laufenden Geschäft finanziert, muss Umwege finden, um Geld zu sparen. Oder wie es Herausgeber Kevin in seinem Editorial schreibt, wollten wir organisch und okönomisch wachsen. Viel Geld auszugeben ist nämlich manchmal gar nicht so smart.

Der größte Kostenpunkt: Die Text-Produktion. Gute Autoren verdienen gute Honorare. Das Problem: Die wollen wir zwar zahlen, sind aber noch nicht im Launch-Budget inbegriffen.

Also beschlossen wir, dass es Formate geben muss, die a) für uns ökonomisch sind, b) für Leser lehrreich und unterhaltsam c) für die Gastautoren attraktiv.

So gebaren wir das Format #nureinefrage oder fahnden nach tollen Guestblogs. Bei nur einer Frage antworten und schreiben diejenigen, denen wir eine - hoffentlich - gute Fragen stellen. Die Befragten sind keine Praktikanten oder Studenten, sondern Frauen und Männern mit solidem Einkommen.

Bei den Guestblogs ist es ein ganz offener Deal. Die Texte sind in der Regel schon auf Englisch geschrieben. Die Übersetzung lösen wir intern, die Autoren branden wir stark. Wir vergrößern deren Reichweite und stärken damit die Autorenmarke. Eine WIN-WIN-Situation.

Langfristig wollen wir, dass 50-Prozent unseres Contents von Gastautoren kommt.

Diese Geschäftsmodelle sorgen übrigens dafür, dass wir auf klassische Bannerwerbung verzichten werden. Zu unseren Werbeformaten geht es hier!

Tipp: Bleibt fair! Wir tun nichts, was wir moralisch nicht vertreten können. Praktikanten wird es bei uns nichts geben. Nur anständig bezahlte Werkstundenten.

8. Niederlagen sind gute Ratgeber

“Auch auf die Fresse fliegen ist eine Vorwärtsbewegung”, sagte uns der Hamburger Oliver Wurm. Sobald die Werbe-Erträge für ein Gruppen-Tattoo reichen, werden wir uns mit diesen Worten die Waden verschönern.

Es gibt kein besseres Learning, als krachend zu scheitern und sich die Nase zu stoßen. Wir setzen uns bewusst ein paar Ziele zu hoch. Denn diese Ambitionen zwangen und zwingen uns zur Bestleistung. Unser Anliegen: 100.000 Leser im ersten Jahr. Werden wir vielleicht nicht schaffen. Wir sind uns aber sicher, dass wir auf dem Weg dahin mehr erreichen, als wenn wir realistischer sagen würden: 10.000 Leser reichen uns.

Das große Plus: Wer viel will, muss viel riskieren. Und wer scheitert, der lernt besser dazu als diejenigen, die kneifen.

Tipp: Niederlagen sind der beste Ratgeber.

9. Der Leser ist King

Der Kunde ist König, sagt man so. 

Bei der Erstellung unseres Hacks-Formats dachten wir zu spät an die Leserschaft. Wir schrieben 100 tolle Stories, merkten dann aber: Oh, da braucht man ja drei bis vier Minuten, um das alles zu lesen. Und drei bis vier Minuten - das sind für Unternehmer*innen und Führungskräfte drei Minuten zuviel. Zumal unsere Interviews ja schon zehn Minuten verschlingen.

Also stürzten wir die Vorbereitung nochmal um und entwarfen den One-Minute-Hack. Learning-Vermittlung in einer Minute. Wir sind also schneller als Dirk Diggler. Das kostete uns zwar viele Arbeitsstunden ...

Tipp: … aber der Leser ist König. Immer. Zu jederzeit.

10. Very nice Kraut-Dudes

Alles im Leben hat ja eine Conversion-Rate. Zum Beispiel, wie viele Versuche man im Schulsport brauchte, um beim Hochsprung über 1,30 zu fliegen. Oder wie viele Frauen (oder Männer, je nachdem) man in Clubs ansprechen musste, um einen Drink ausgeben zu dürfen oder sich eine Fluppe zu teilen. Lässt sich alles berechnen, wenn man das denn will.

Unser größter Conversion-Bringer: Eine Betreffzeile für die Akquise von Guestblogs aus Übersee. Nach dem die Subject-Line “Media Request from Germany” so funktionierte wie deutsche Schiedsrichter in Spielen von Bayern München, wagten wir eine etwas andere Ansprache. In Klammern schrieben wir dazu: “We promise, we are  very nice Kraut-Dudes”.

Der Lohn für den Mini-Aufwand: Conversion-Steigerung um über 100 Prozent.

Tipp: Versuch es immer mit Humor. Die meisten Menschen lachen gerne. Am wichtigsten, egal wie, Hauptsache gut: Mach dich bemerkbar!

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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