Content Marketing: Gekommen, um zu bleiben
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Content Marketing: Gekommen, um zu bleiben

Der große Vorteil von guten Texten im Content Marketing: Sie erreichen die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Leser leichter als Podcasts oder Videos. Wenn wir es gut machen. Unsere #3Learnings.

von Hannes Hilbrecht
Lesen bindet Aufmerksamkeit. © Toa Heftiba on Unsplash

Nichts macht mich persönlich schlauer als Lesen.

Ich schätze zwar auch Videoformate und Podcasts. Doch bei beiden Formen der Wissensvermittlung schweife ich oft ab. Ich bin nicht voll bei der Sache. Weil ich nebenbei abwasche oder auf der Hantelbank liege, oder weil ich den Hund Gassi führe. Das Gehörte und Gesehene ist manchmal sehr präsent – oder eben sehr weit weg.

Ein Buch, ein Magazin und natürlich ein guter Online-Artikel sind da sehr viel weniger bereit, meine Aufmerksamkeit zu teilen. Wenn ich lese, dann lese ich fast immer konzentriert. Und ich habe noch nie einen Autofahrer in Berlin mit einem Buch vor der Nase hinter dem Lenkrad gesehen. Zum Glück.

Wenn wir etwas interessiert lesen, tauchen wir in andere Welten. Sind dort allein mit den Worten, die vor uns geschrieben stehen. Ich zum Beispiel möchte sagen: Ich, der Dauerabgelenkte, bin voll bei der Sache. Welches andere Medium ist so immun gegen Ablenkung als das Buch oder das Magazin? Mir fällt wenig ein. Ich habe zum Beispiel schon einmal meine Zielhaltestelle in Berlin um ganze fünf Stationen verpasst, weil mich ein Artikel in der brandeins an meinen Platz in der S-Bahn band. Podcast und Video haben das noch nie geschafft.

Content Marketing über geniale Blogs oder interessante Magazine ist sicher schwieriger geworden, weil die Zielgruppe im Dschungel der Kanäle schwieriger zu erreichen ist. Aber schaffen wir es, können sie beinahe konkurrenzlos mit guten Inhalten fesseln.  Meine #3Learnings zum Thema Content Marketing.

1. Autoren bringen Authentizität

Content Marketing besteht ja sehr oft aus Aufklärung. Man beantwortet im Idealfall suchmaschinenoptimiert eine häufig gestellte Problemfrage der User und webt das eigene Produkt in diese Aufklärung hinein. Nicht zu dringlich, aber ja, doch auffällig genug.

Was mich oft stört: Die Authentizität. Gerade in Medizin- und Sportbranchen schreiben sehr oft Redakteure über Themen, in denen sie nicht wirklich drinstecken.

Ich habe es selbst erlebt. Als ehemaliger Sportjournalist fragte ich mich oft, ob die Analyse, die ich gerade weltklug schreibe, tatsächlich haltbar sei. Ich dachte: Kann ich, der noch nie American Football gespielt hat, den Lesern ernsthaft erklären, wie es jemand in Zukunft besser machen könnte, der das selber schon seit zwanzig Jahren macht?

Selbst wenn man es kann – was durchaus möglich ist: Für viele Leser fehlt manchmal der letzte Funken Überzeugung. Deshalb schätze ich seit jeher die Idee der Gastbeiträge: Nicht ich, der nie geil Mountainbike fuhr, erklärt die drei schönsten Mountainbike-Strecken Mitteleuropas, sondern die Weltmeisterin in diesem Sport. Ich helfe als Autor nur beim Aufschreiben des Inhalts, geschaffen wird er in einem anderen, viel geeigneteren Kopf. Als Autor ist man nicht mehr der einzige Erzeuger eines guten Textes, sondern eine Art Geburtshelfer. Das verleiht jedem Beitrag ein großes Stück Wahrheit.

Die Inhalte sind somit nicht nur attraktiver für die Zielgruppe, sie kommen oft auch sehr viel besser an. Und im Falle von prominenten Gastautoren ist es sogar möglich, an starke Reichweiten anzudocken.

Key-Learning: Im Content-Marketing ist der Überbringer der eigentlichen Nachricht oft eine ungenutzte Chance. Doch lassen sich gerade hier Vertrauen und Mehrwert für Leser generieren – was wiederum die Authentizität der Absender-Marke stärkt.

2. Mit Mut die SEO-Wüste umkurven

Ein guter Freund hat mir mal gesagt: "Es gibt nichts Schlimmeres als eine Headline, die viel zu geil für den Text ist." Ich sehe das mittlerweile genauso.

Manchmal zieht mich eine markige Überschrift oder ein unfassbar cooles Thema in den Text. Doch im Artikel verdampft meine Neugier nach neuen Ideen ziemlich schnell. Sie versickert sekundenschnell im ewigen Sand der SEO-Wüste.

Sehr oft lesen sich die Beiträge gleich oder ähnlich an. Es werden immergleiche Fakten herunter gerattert und keine Geschichten erzählt. Es gibt nichts zu lachen oder nichts zu empören. Letztens schrieb ich für einen Kunden über Spargel. Die Recherche schockierte mich. Nicht wegen etwaiger Phallus-Witze oder Tarzan-Vergleiche. Sondern, weil beinahe jeder Beitrag zu diesem Gemüse abgestanden schmeckte. Billig eingekauft. Um beim Spargel zu bleiben: Dritte Wahl. Und so liest es sich: Herzlos. Als Leser, der doch ein Kunde werden soll, ist man enttäuscht. Oder man fühlt sich schlimmstenfalls verarscht.

Niemand, wirklich niemand, unterhält sich auf Partys gern mit Menschen, die nichts Neues, nichts Spannendes zu erzählen haben, die einen langweilen. Und wie auffällig sympathisch hingegen diejenigen sein können, die mit ihren Suaden fesseln. Die einen vergisst man, von den anderen erzählt man auf anderen Feiern. "Du, ich kenn da eine, die ist …". So ähnlich geht es mir manchmal mit Texten und Produkten.

Die Sichtbarkeit in den Suchmaschinen ist essentiell. Doch was ist sie ohne starken Inhalt wert? Nicht viel. Auch SEO-Texte brauchen eine gehörige Portion Storytelling.

Key-Learning: Unternehmen brauchen den Mut zu neuen Inhalten, wenn sie sich von anderen abheben wollen. Lieber 50 Lesern sehr gut gefallen und bei 50 anderen anecken, als von allen übersehen werden – das ist meine Meinung.

3. Die Verweildauer verrät die Qualität der Kontakte

Ein guter Artikel ist wie ein gutes Restaurant: Wenn man die nötige Zeit hat und das Kleingeld (Moin moin Paywalls), bleibt man gerne bis zum Ladenschluss. Es gibt ja viele Benchmarks im Content Marketing. Manche hängen mir aus den Ohren heraus. Das Wort, das ich neben "Content" am wenigsten hören mag ist "Traffic".

Natürlich nützt der witzigste, großartigste und liebevollste Text wenig, wenn ihn niemand liest. Aber ist "Traffic" nicht oft eine gewaltige Luftnummer? 10.000 Leser klingen toll. Aber was, wenn sie nur fünf Sekunden bleiben, weil der gebotene Beitrag niemanden schmeckt? Und vor allem: Muss man beim nächsten Beitrag nicht wieder 10.000 neue Leser gewinnen, weil schließlich die ersten 10.000 schon enttäuscht und möglicherweise für lange Zeit verprellt worden sind?

Der Marketing-Shootingstar Jon Westenberg bezeichnet den "Traffic" als Eitelkeitsmetrik. Er sieht gut aus. Man mag mit ihm angeben. Doch sagt er allein nicht viel aus.

Deshalb ist für mich die Verweildauer eine viel entscheidendere Variable. Sie kann viel darüber aussagen, wie zufrieden der Leser ist. Ist er es nämlich, informiert er sich im Magazin und auf dem Blog womöglich weiter. Er kommt bestenfalls von selbst wieder und entwickelt eine emotionale Bindung. Er ist gekommen, um zu bleiben.

Erst starke Verweildauer-Werte machen einen hoch frequentiert geklickten Text zu einem wirklich guten Beitrag.

Key-Learning: Der Traffic mag die Anzahl der Kontakte gut abbilden. Aber erst Daten wie die Verweildauer und die Absprungrate verraten die wahre Qualität der Kontakte. Und so sollten wir Inhalte denken und erstellen: Sie müssen gefunden und geklickt, aber eben auch gerne von den Nutzern gelesen werden.

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

1 Kommentare
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Fredy Scharkowski
29.04.2019
Ich habe für einige Zielgebiete (Reisen) mit meiner Tochter Texte verfasst. Wird von Google leider nicht belohnt. In den Top 10 bleiben meist die Riesendatenbanken ohne qualifizierte Information und verdienen mit Buchungen das Geld, das wir als "Belohnung" erwarten. Auch die User belohnen unser Fachwissen oft nicht. Gesucht wird bei uns die kostenfreie Sportinformation, gebucht wird über die Marktschreier.

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