true fruits: Erfolgsrezepte für fruchtige Werbung
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true fruits: Erfolgsrezepte für fruchtige Werbung

true fruits ist eine der umstrittensten Marken Deutschlands, wenn es um die Werbung geht. Dabei macht der Saftladen einfach nur vieles gut. Sechs Erfolgsrezepte.

von Hannes Hilbrecht
Nic Lecloux, Inga Koster und Marco Knauf sind die drei Gründer von true fruits. © true fruits

Ich bin leicht zu begeistern. Ich brauche kein Nirvana, mir reicht Right Said Fred. Und mit Geld kann ich auch nicht umgehen, zumindest nicht richtig gut. Das Talent zum Bankier schlummert nicht in mir. Eigentlich bin ich mit diesen beiden Eigenschaften das beste Opfer für sehr gute Werbung.

Das mag sein. Aber ganz so leicht ist es dann doch nicht. Am Kühlregal bin ich ein Knauser. Ob Marke oder billigstes No-Name-Produkt: Im Supermarkt bücke ich mich in der Regel tief. Nur die wenigsten Sachen sind so viel besser, leckerer und ökologischer, dass es sich lohnt, sehr viel mehr zu bezahlen.

true fruits machen die teuersten Smoothies. Ich kaufe sie jedes Mal. Nicht, weil sie so viel besser schmecken als ihre Konkurrenten. Sondern, weil ihre Werbung mich anspricht, emotional mitreißt und überzeugt. Manchmal aber auch den Kopf schütteln lässt. Ich kenne viele, denen es ähnlich geht, die Smoothienasen sind und nur aus dem Glas trinken. Sechs Erfolgsrezepte von true fruits.

1. Auffallen um jeden Preis

Das Erfolgsrezept des Marketing-Leiters von true fruits ist simpel: Auffallen. Und das um jeden Preis. Im Detail hat mir Nic Lecloux die Formel 2017 so erklärt: "Zuerst kommt der Witz. Sagen wir: 50 Prozent. Dann kommt das Unerwartete, ein überraschender Fakt mit etwa 25 Prozent. Wenn uns die Leute bei Facebook sehen, müssen sie hängen bleiben, dürfen nicht einfach runterscrollen. Im Anschluss braucht es noch relevanten Inhalt, damit das Informationsbedürfnis des Lesers befriedigt ist. Das sind die restlichen 25 Prozent."

Auch wenn viele andere das auch von sich behaupten, Auffallen um jeden Preis ist in der Werbewelt nicht immer die Regel. Scrollt man durch Facebook und Instagram, scheint die Devise oft eine andere zu sein. Die werbenden Firmen scheinen eher zu denken: Bloß nicht anecken um jeden Preis. Es geht um die maximale Gefälligkeit. Hübsche Stock-Models, lachende Gesichter und Wortphrasen, die niemanden stören, aber dafür eben auch kaum betören. Es regiert die Austauschbarkeit. Meistens.

true fruits macht es anders. Fast jeder Facebooktext und beinahe jedes Motiv polarisieren auf die eine oder andere Weise. Mal politisch, mal durch Pubertierendenhumor. Und der potenzielle Kunde steckt oft in einem inneren Konflikt: Soll ich das gut finden oder total bescheuert?

Viele der true fruits Flaschentexte und Posts regen Denkprozesse an. Sie zielen auf die Emotionen der Zielgruppe. Und wie kann Werbung effektiver sein, als wenn sie sich binnen Sekunden in unseren Gefühlen einnistet?

 2. Straight – bis es schmerzt

Auch ich dachte bei so mancher true fruits Werbung, sei es ein Video oder Post: Ist das deren verdammter Ernst? Oder wie die Amerikaner sagen würden: Are you f*cking kidding me?

Jeder kennt es, Frauen und Männer: Es gibt Dinge, da fragt man sich: Darf man darüber lachen? Darf man das witzig finden? So mancher Kalauer ging bei den Fruchtmixern nach hinten los. Die Angst vor dem nächsten Shitstorm ist auch bei true fruits omnipräsent. Lecloux sagt:

"Jeder, der behauptet, er sei beim ersten Shitstorm cool geblieben, lügt. Trotzdem sind wir standhaft geblieben, weil wir ungeachtet der Kritik die Aufregung nicht nachvollziehen konnten. Das Internet hat eine absurde Empörungskultur mit einer Aufmerksamkeitsspanne eines Kolibris. Mit der Zeit lernt man, die künstlich Empörten nicht mehr so ernst zu nehmen. Bei Kritik an unserem Produkt hingegen hören wir sehr genau zu."

Doch eines der Kernerfolgsrezepte findet sich genau hier: true fruits hat die Mechanik der Empörungskultur verstanden und nutzt sie sehr effektiv. Denn das Rad dreht sich immer weiter. Empören sich Menschen über die flachen Gags oder den vermeintlichen Sexismus in den Werbebotschaften, empören sich andere wieder über die aus ihrer Sicht unnötig Empörten.

Für das Smoothie-Unternehmen ist das Gold wert, es entstehen organische Reichweiten. Dass nicht jeder die Posts gut findet, gehört zum Plan. Denn die Marketer wollen nicht jedem gefallen, sondern dafür einer großen Gruppe von Menschen möglichst gut. Und deren Bindung zum Produkt steigt mit jedem leidenschaftlichen Facebook-Beef.

Ach ja: Der Zusatz, der sich mittlerweile unter jedem Motiv von true fruits findet (Diese Werbung könnte von dummen Menschen missverstanden werden) treibt das Empörungsrädchen weiter an. Auch weil true fruits sich treu bleibt, sich nicht verbiegt. Diese Haltung imponiert vielen Kunden und Fans und stärkt die Bindung noch weiter. Die gewonnenen Fans denken: "Die stehen tatsächlich zu ihrem Wort."

3. Die politischen Statements wirken – weil sie ehrlich sind

Für true fruits ist das politische Engagement doppelt wichtig.

  1. Zieht es in der Zielgruppe sehr viel Aufmerksamkeit auf sich und löst weitere, beabsichtigte Kontroversen aus.
  2. Verleiht es dem Unternehmen das soziale und liberale Image, was es braucht, um gleichzeitig andere Grenzen auszuloten. true fruits ist ein bisschen der Student mit Che Guevara T-Shirt und Bart, der ab und zu einen harten, unangebrachten Spruch loslässt, über den sich manche beömmeln und andere wiederum den Kopf schütteln. Ohne dieses Image wären manche Gags gar nicht möglich.

Die politischen Statements von true fruits sind auch aus einem anderen Grund effektiv. Sie sind weniger klassisch links, noch grün, noch liberal oder konservativ. Es werden Themen wie Fremdenhass und Umweltverschmutzung meinungsstark im Web und in den Straßen platziert. Themen, die jeden etwas angehen sollten. Da true fruits diese Statements seit Jahren abgibt, können PR und Marketing immer wieder punktuell Akzente setzen. Ohne dass ihnen vorgeworfen werden kann, dass sie mit Politik nur Reichweite generieren wollen. Diesen Luxus hat sich das Unternehmen langfristig aufgebaut.

Werbung mit gesellschaftspolitische Botschaft: Auf dem Plakat für die Sorte "White" wird unterschwellig Kritik an der aktuellen europäischen Flüchtlingspolitik verübt. © true fruits

4. Andocken an Aufsteiger

Sodastream ist eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt. Weil es ein Produkt macht, dass a) sehr bequem für den Kunden ist, b) perspektivisch Geld spart und c) der Plastikvermüllung des Erdballs entgegenwirkt.

Schon am Anfang des neuen Sodastream-Booms dockte true fruits an Sodastreams Image an. Das Unternehmen verlieh den Award "Eier aus Stahl" an die Wassersprudler. Ein genialer Hack.

Denn der Preis war so liebevoll und irre präsentiert, dass Sodastream ihn nur annehmen konnte und öffentlich mit den Saftmixern schmuste. Der hingegen hatte mit dem "Eier aus Stahl" ein neues Empörungsorchester bestellt, dass die Romanze zwischen dem Weltverbesserer Sodastream und true fruits organisch verbreitete.

5. Content Marketing deluxe

Es sollte der große Hit werden: Smoothie-Püree und Müsli. Ein gesundes Frühstück aus dem Kühlregal. Doch true fruits hatte ein Verpackungsproblem. Das Müsli ließ sich wirtschaftlich rentabel nur mit Plastiklösungen verpacken. Und wirtschaftlich rentabel bedeutet eben oft ein Problem für die Umwelt.

Das Unternehmen bat die Fans und Konsumenten um Hilfe, band sie in ihren Produktprozess mit ein. Das ist ohnehin sehr gut, doch die Art und Weise, wie true fruits das Scheitern der Problemlösung im Blogformat erklärte, verdient fast einen Preis. Zu finden auf scheissplastik.de.

Ob strittige Kampagnen, Flaschenprobleme (wenn das Grünglas gerade aus ist) oder eben das Plastik-Gate. Die Obstpürierer gewinnen durch ihre Policy der maximalen Aufklärung sehr früh die Deutungshoheit.

Ein Beispiel: Der transparente Umgang mit Green Smoothies und der Abkehr von Weißglas. Nic Lecloux erklärte:

"Smart war damals, dass wir mit einem Grundsatz gebrochen haben. Wir füllen unsere Smoothies in Glasflaschen ab. Kein Etikett, sondern ein dezenter Keramikdruck schmückt unsere Flasche. Der Blick auf das Wesentliche – den Inhalt – bleibt unverdeckt. Doch bei den Green-Smoothies hatten wir ein Problem. Wer sich zuhause Green Smoothies selber mixt, weiß, dass nicht jede Variante leuchtend grün ist und sich oft auch absetzt. Da wir aber von Green Smoothies überzeugt waren und mochten, dass die Leute sich unbefangen mit dem Thema auseinandersetzen und sich ganz und gar vom Geschmack überzeugen lassen und nicht von der Farbe, haben wir den Smoothie in Grünglas gefüllt. Wäre die Flasche nicht grün, wären die Absätze deutlich geringer – weil vielen Kunden die Farbe nicht leuchtend und schön genug ist."

6. Mit Geduld

Edeka kopiert mit einer Eigenmarke das Produktdesign von true fruits. Wahrscheinlich jeder hätte auf diese Nachricht folgendes erwartet: true fruits zielt mit der Pumpgun auf den Handelsriesen, schießt mit Pfirsichen, unentkernt, aus allen Rohren. Sucht die öffentliche Eskalation. Doch es war ruhig. Strohballen rollten durch die Steppe.

Dann gab es, siehe Punkt 5, ein kommunikatives Meisterstück: true fruits erklärte den Deal mit Edeka. Wochen nach dem Eklat. Detailiert, aber eben auch nicht zu detailliert. Und so, dass drei Kerninfos bei den Usern hängen blieben.

  1. Edeka ändert sein Design.
  2. Es gibt keine Zankereien vor Gericht.
  3. Und kein bereits hergestellter Smoothie wird von Edeka weggeschmissen. Hashtag #verschwendung.

Vor allem aber lehrte es: Dass auch die größten Werberebellen sehr Erwachsen sein können.

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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