Das gibt es bei Tinder nicht

Viktor, schön, dass Du Zeit hast. Dein Unternehmen Coople will den Arbeitsmarkt flexibler machen. Ihr vermittelt Arbeitskräfte an Unternehmen. Wie lange gibt es Euer Produkt schon?
Manchmal ist es schwer zu definieren, wie lange es etwas schon gibt. Die Idee zu Coople hatte ich eine Weile im Hinterkopf. 2011 sind wir dann nach einiger Überlegungszeit an den Start gegangen.
Wie funktioniert Coople?
Es ist ganz simpel: Unternehmen registrieren sich auf unserer Plattform und stellen einen Job ein. Sie geben unter anderem Ort, Zeit, Tätigkeit und Bezahlung ein. Alle potenziellen Kandidaten aus unserem Pool bekommen eine Push-Nachricht. Sie können sich ganz einfach per Touch für den Job bewerben. Das akquirierende Unternehmen bekommt eine Liste mit allen Kandidaten und kann anhand der Profile die passenden Bewerber annehmen.
Klingt einfach und kompliziert.
Einfach für unsere Kunden, etwas komplexer wenn es um die Prozesse im Hintergrund auf der Plattform geht. Die automatisierte Datenverarbeitung, die Job und Kandidat verbindet, kostet permanente Entwicklungszeit. Zumal der Datenschutz eine hohe Priorität genießt.
Wie oft habt ihr seit 2011 Website und App überarbeitet?
Bei der Website gab es drei große Relaunches, die App bekommt alle zwei Wochen ein Update. Generell können wir sagen, dass wir fortlaufend entwickeln und verbessern. Das ist unser Anspruch gegenüber unseren Kunden und wenn man ehrlich ist, bei der Geschwindigkeit der technischen Veränderungen und Nutzerbedürfnisse, der einzig gangbare Weg.
Es gibt verschiedene Definitionen für Erfolg. Umsätze, Finanzierungsrunden, Awards. Für mich war der wichtigste Erfolg unser erster Kunde.
Wie lange braucht so ein Tool, bis es erfolgreich ist?
Es gibt verschiedene Definitionen für Erfolg. Umsätze, Finanzierungsrunden, Awards. Für mich war der wichtigste Erfolg unser erster Kunde.
Was war das für ein Unternehmen?
Ein Catering-Unternehmen aus der Schweiz, das dringend Personal suchte und mit uns zusammen eine Lösung fand, ehe es unser Produkt offiziell auf dem Markt gab. Wir konnten Kunde und Arbeitskräfte auch ohne Plattform miteinander verbinden. Das hat uns viel Anschub-Energie gegeben.
Ihr bietet euren Service sämtlichen Branchen an, ein Schwerpunkt ist aber ganz eindeutig der Gastronomie- und Eventbereich. Da muss es oft schnell gehen. Wie schnell könnt ihr staffen?
Das ist von Job zu Job unterschiedlich. Es hängt davon ab, wo, wann und zu welchem Verdienst welche Stelle besetzt werden soll. Und natürlich auch, wie intensiv die Unternehmen unser Tool nutzen. Manche stellen einen Job ein und schauen erst fünf Tage später, wer sich beworben hat. Das verzerrt das Endergebnis. Unsere Zielmarke, die wir häufig übertreffen, liegt bei etwa 4 Stunden vom Job-Angebot bis zur finalen Vernetzung.
Hast Du eine Case Study, die Du besonders gerne Kunden erzählst?
Für eine Inventur bei C&A haben wir 2000 Jobs in 100 verschiedenen Filialen in der gesamten Schweiz in wenigen Tagen besetzt. Das hat dem Kunden extrem hohe Recruiting-Kosten gespart und brachte uns viel Zuspruch.
Nun bringt Ihr Arbeitgeber und Arbeitnehmer für kurze Zeit zusammen. Man kann sagen: Ist ja ein bisschen wie Tinder. Was macht Ihr besser als die Date-Vermittlung?
Der Grundgedanke vieler digitaler Plattformen ist derselbe: Menschen miteinander verknüpfen. Natürlich ist der Zweck jeweils ein anderer. Wir verbinden auf effiziente und schnelle Weise Arbeitssuchende mit Arbeitgebern. Dabei ist unser Bewertungssystem ein großes Plus. Unternehmen können dank der Bewertungen präzise nachverfolgen, wie die Bewerber bei den vorangegangenen Jobs gearbeitet haben. Die Bewertungen finden natürlich beidseitig statt, auch Unternehmen werden von Arbeitnehmenden bewertet. Das gibt es bei Tinder nicht. (lacht)
Wie garantiert Ihr, dass diese Bewertungen fair sind?
Zuallererst, weil sie nicht von uns kommen, sondern ausschließlich von den Arbeitgebern. Wenn die Mitarbeiter mit Fleiß und Tatendrang überzeugt haben, spiegelt sich das in den Bewertungen wieder. Es ist ja auch von Vorteil für die Arbeitgeber. Die wollen schließlich bei neuen Jobs auf die gut bewerteten Kräfte zurückgreifen. Und sie können sich über die eigenen Einschätzungen einen eigenen Favoriten-Pool anlegen.
Was passiert eigentlich, wenn ein Arbeitnehmer einen Job annimmt, diesen aber nicht antritt?
Diese Kandidaten schließen wir von unserer Plattform aus, außer es gibt triftige Gründe für das unentschuldigte Fernbleiben. Auch als Arbeitnehmer geht man einen Vertrag ein und verspricht eine Leistung zu erbringen. Wenn dazu die Motivation fehlt, können wir diese Kandidaten nicht mit reinem Gewissen an unsere Kunden vermitteln.
Wie werdet ihr eigentlich bezahlt – pro Job-Annonce oder für die erfolgreiche Vermittlung?
Nur für die erfolgreiche Vermittlung, und auch nur, wenn diese auch wirklich erfolgreich war. Heißt: Dass der Job gemacht und die Arbeitskraft bezahlt wurde. Erst dann entrichtet unser Kunde die entsprechende Gebühr.
Eine Stellenanzeige ohne Interessenten ist kein Mehrwert.
Ist das ein Marketing-Kniff oder die Absicherung vor schlechtem Feedback?
Für uns ist das Fairplay. Wir wollen Mehrwerte schaffen. Eine Stellenanzeige ohne Interessenten ist kein Mehrwert.
Muss Coople eigentlich aktiv nach Mitarbeitern suchen, um alle Job-Gesuche zu erfüllen?
Alle Jobanfragen können wir nicht positiv erfüllen. Das ist leider so. Und das wird von uns auch offen kommuniziert. Manchmal werden Jobs ausgeschrieben, die durch den Ort, die Zeit und die Bezahlung einfach nicht attraktiv genug sind. Das gilt besonders für Jobs, in denen es einen klaren Mangel an Kandidaten gibt. Ich denke da beispielsweise an Köche. Im Grunde kann man sagen: Für einen Großteil der Jobs haben wir ein Überangebot an Bewerbern. In den Nischen, wo häufiger Leute fehlen, suchen wir in Spitzenzeiten aktiv nach potenziellen Kandidaten. Das kommt aber eher seltener vor.
Nun werden Kritiker sagen, dass Ihr zwar viele Jobs schafft, aber Festanstellungen torpediert. Nicht unbedingt gut für Mütter und Väter.
Dem widerspreche ich: Es gibt Millionen Menschen in Europa, die ein Bedürfnis nach flexibler Arbeit haben und manchmal auch keine andere Wahl.
An diese Personen, die flexibel arbeiten wollen oder gar müssen, wird selten gedacht.
Das ist auch eine Form der Diskriminierung. Bei Coople sind beispielsweise viele Rentner registriert. Die wollen sich die Rente aufbessern, manchmal nur der Arbeit wegen tätig werden. Für sie sind flexible Angebote perfekt. Sie können sich aussuchen, wann und wo sie arbeiten wollen.
Ist Flexibilität eigentlich eine Frage des Mindsets?
Ich glaube, Flexibilität ist eher eine Frage der Lebensumstände. Es gibt verschiedene Perioden, in denen wir eher nach lockeren oder festen Arbeitsverhältnissen streben. Das ist sehr an unser Privat- und Familienleben geknüpft. Ein Student, ein Jobanfänger oder ein alleinerziehendes Elternteil haben ganz unterschiedliche zeitliche Bedürfnisse an einen Job.
GrowSmarter Leseempfehlung: Beat Bühlmann über Mindsets und Kommunikation

Wie sehr nutzt Du als Unternehmer Dein eigenes Tool?
Auch wir wollen sehr flexibel arbeiten. Es gibt im Geschäftsleben nie immer gleich viel zu tun – auch wenn das schön wäre. Im Kundenservice sind wir daher sehr dynamisch aufgestellt. 43 Freelancer teilen sich mindestens 13 Stellen, die wir jederzeit aufstocken können, wenn die Nachfrage steigt. Unser Service-Pool kann sich dabei selbst organisieren. Das hat für die Mitarbeiter auch zeitlich sehr viele Vorteile.
Du hast vor Coople eine Eventfirma gegründet. Haben Dich diese Erfahrungen zum Tool inspiriert?
Schon zuvor als IT-Berater in der Prozessoptimierung ist mir bei vielen meiner Kunden das Potenzial flexibler Arbeit aufgefallen. Es gab Zeiten, da waren Firmen chronisch überbesetzt, und dann wiederum gab es Wochen und Monate, in denen alle Mitarbeiter weit über das gesunde Limit schuften mussten. Das ist für alle Beteiligten immer eine frustrierende Situation gewesen. Die Effizienz litt und das Ungleichgewicht zwischen vorhandener Arbeit und Personal kostete Kraft, Zeit und vor allem Geld.
Jobs nur anhand von Bewerbungen, CVs oder Interviews zu besetzen, gleicht eher einem Blindflug.
Nutzt Du Coople auch aktiv für Dein Recruiting? Heißt: Suchst Du konkret nach Mitarbeitern, die von ehemaligen Arbeitgebern als "gut" bewertet wurden?
Es gibt viele Unternehmen, die das bei uns mehr oder minder offensichtlich machen. Auch wir schauen bei Bewerbungen auf die Erfahrungsberichte anderer Firmen. Ganz generell kann man aber sagen: Wir arbeiten sehr intensiv mit dem Coople-Gedanken. Dieser ist ganz simpel: Einfach arbeiten und loslegen. Wenn wir Positionen fest besetzen wollen, kommen die Kandidaten zu uns in die Firma und arbeiten ein paar Tagen bei normaler Bezahlung. So lässt sich doch am besten erkennen, wer in unsere Teams passt und wer nicht. Jobs nur anhand von Bewerbungen, CVs oder Interviews zu besetzen, gleicht eher einem Blindflug. Man weiß zwar, was der Kandidat bereits geleistet hat, aber nicht ansatzweise, wie seine Kompetenzen zum eigenen und sehr speziellen Aufgabenspektrum passen.
Gibt es einen Plan, Coople als Recruiting-Tool für Festanstellungen zu vermarkten?
Die Überlegungen gibt es. Andererseits freuen wir uns, wenn es auch ohne spezielles Modell klappt. Finden Unternehmen über uns Mitarbeiter, die ihre Teams langfristig bereichern und eine Vakanz schließen, haben wir ja unsere Leistung nicht nur erbracht, sondern übererfüllt. Das spricht sich rum, ist positives Word-of-mouth für uns.
Warum gibt es Coople eigentlich nicht in Deutschland?
Weil die Gesetzeslage für flexibles Arbeiten eher schwierig ist. Da wir die Arbeitsgesetze akzeptieren, bringen wir unser Produkt nur da an den Markt, wo es tatsächlich ohne Einschränkungen legal ist und für alle Beteiligten Vorteile bringt. Und das ist uns sehr wichtig: Bei Coople können Unternehmen nur mitmachen, wenn sie alle rechtlichen Vorschriften einhalten. Dieser Anspruch gilt auch für uns als Dienstleister.
Apropos: Wie wollt ihr garantieren, dass die Arbeitgeber fair spielen?
Weil nahezu alle rechtlich bindenden Prozesse in unserem Tool stattfinden. In Großbritannien werden sogar die Arbeitsverträge digital geschlossen. In der Schweiz sind sie das einzige Dokument, das noch klassisch über den Papierweg läuft.
Viktor, welche Innovation strebst Du mit Coople noch an?
Da gibt es einen Plan, aber der hat gar nicht direkt mit Coople zu tun. Mir geht es darum, Weiterbildung flexibler zu machen – für die Arbeitnehmer. Ich stelle oft fest: Das Interesse an Coachings und Weiterentwicklung ist groß. Nur gilt das auch für die Kosten. Viele Talente scheuen sich, diese Kosten zu stemmen. Weil sie nicht wissen, ob sie dieses Investment jemals wieder reinholen können. Ich plädiere für Weiterbildung, die erst etwas kostet, wenn sie sich als Erfolg auszahlt. Das würde unsere Gesellschaft und Wirtschaft voranbringen und Arbeitnehmer massiv unterstützen. Das ist ein Ziel, an dem ich in den kommenden Jahren arbeiten möchte.
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