Was Unternehmen von Bewerbern lernen können
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Was Unternehmen von Bewerbern lernen können

Kreative Bewerber erfreuen nicht nur Personaler, sondern können auch Unternehmen langfristig helfen. Wenn Firmen die Erfolgsrezepte der Kandidaten adaptieren. 

von Hannes Hilbrecht
© Tim Mossholder on Unsplash

Auf dem ersten Blick bin ich vielleicht ein Versager. Aber ich habe Biss.

Das war der erste Satz meiner Bewerbung. Er sollte die Aufmerksamkeit der Personalverantwortlichen catchen. Vor allem die Person, die diese Bewerbung lesen sollte, dazu anregen, das Anschreiben mit möglichst viel Interesse zu verschlingen. Es gelang mir anscheinend. Ich bekam den Job und arbeite immer noch für das Unternehmen. 

Warum? Ich denke, weil der Einleitungssatz Selbstbewusstsein und Mut ausstrahlte. Er unterschied sich von der Masse, war eine der gelben Büroklammern unter den unzähligen schwarzen. Klar: Andernorts wäre ich ausgesiebt worden. Aber zu dem Unternehmen, bei dem ich mich bewarb, passte das: Mumm.

Wann immer ich mit Personalern über Bewerbungen quatsche, bestätigen sie mir diesen Gedanken. 

Sie haben keine Lust, zehnmal am Tag die gleichen Phrasen zu lesen. Die immer gleichen Ansprachen, Motive und charakterlichen Benefits serviert zu bekommen. Sie wollen Unterschiede wahrnehmen. Überzeugt werden. Auch Personaler haben Emotionen.

Doch andersherum ist es genauso: Wer bei Stepstone, Indeed und Co. die Jobangebote durchkämmt, findet oft den gleichen Aufbau, den gleichen förmlichen Ton. Ja, das mag mittlerweile wichtig sein für Google4Jobs. Trotzdem vertragen Stellenanzeigen (wo auch immer sie ausgespielt werden) mehr Mut.

Die Generation Z, das ist klar, mag es individueller. Sie ist schneller gelangweilt von Inhalten. Nicht nur Kandidaten müssen an ihren Bewerbungen arbeiten, auch die Unternehmen sollten ihre Annoncen knalliger rüberbringen.

Vier kreative Bewerbungen, vier Ideen für Unternehmen.

Employ Adam

Adams Story ist in der Recruiting-Welt legendär. Als frisch graduierter Student nutzte er seine letzten 500 Piepen für eine großflächige Anzeige am Rande einer Hauptverkehrsstraße. Diese Aktion griff er auch in seinem Video-CV auf. Und tatsächlich: Der Filmemacher Adam Pacitti hatte Erfolg. Er fand nicht nur einen neuen Job, sondern tingelte auch durch Talkshows. Er wurde zu einem Internetphänomen. 

Doch warum hatte Adam Erfolg? 

Seine Idee war nicht perfekt ausgereift, aber sie hatte einen entscheidenden Vorteil: Sie war mutig und unverbraucht. Der Kanal, den er wählte, war für eine Bewerbung eines Jobsuchenden noch nicht oft genutzt worden. Das generierte Aufmerksamkeit.

Doing für Personaler: Triff deine potenziellen Kandidaten dort, wo sie dich nicht erwarten.

2. Bernd Slaghuis

Als ich Ihre Stellenanzeige las, war ich noch nicht begeistert. Denn schließlich klingt sie wie die vielen anderen, die ich täglich lese.

Der Business-Coach Bernd Slaghuis hat eine Bewerbung auf seinem Blog veröffentlicht, die bewundernswert klar ist. Der Bewerbende benennt auch unbequeme Tatsachen und kaschiert wenig. Er schreibt vielleicht auch Sätze, die ihn bei manchen Arbeitgebern disqualifizieren könnten. Doch genau das ist der Punkt: Es geht nicht immer darum, allen zu gefallen, sondern eher, die richtigen Personen möglichst stark zu erreichen. 

Unternehmen, die klarer und ehrlicher als andere kommunizieren, was sie wirklich suchen und fordern (oder was sie einem Mitarbeiter nicht bieten können), reduzieren vielleicht den Pool an interessanten Kandidaten. Doch die Chancen, dass ein wirklich relevanter Kandidat den Recruiting-Prozess übersteht, steigen stark.

Doing: Schreibe nicht vordergründig die verlockendste Stellenanzeige, sondern gönne deinen potenziellen Mitarbeitern den maximal authentischen Eindruck. 

Hier geht es zur Bewerbung:

3. Gisele Henne

Gisele Henne arbeitet als Art Director. Auf der Suche nach einem neuen Job entfaltete sie ihre Skills farbenfroher als ein Pfau sein Federkleid. Sie erstellte ein CV im Form eines Grafic Sheets. Die wichtigsten Erfahrungen, Leistungen und Qualitäten hat sie klar präsentiert. Nicht hinter Buchstaben, sondern in klaren Übersichtsgrafiken. Bilder, so viel weiß die Forschung, werden etwa 1000 mal schneller als Wörter vom Gehirn verarbeitet.

Auch Unternehmen sollten ihre Benefits nicht mehr nur in Wortwüsten verstecken. Infografiken haben im Marketing- und Medienzirkus eine große Bedeutung eingenommen. Es ist Zeit, sie in das Recruiting zu integrieren. Hier gibt es Giseles CV und einige andere Beispiele.

Doing: Zeige auf dem ersten Blick, was dein Unternehmen bietet. Das können Infos wie Durchschnittsgehalt, Frauenanteil oder Urlaubstage sein. Außerdem können gut aufbereitete sowie interessante Infografiken den Employer Brand langfristig stärken.

4. Jimmy More

Der Regisseur und Produzent Jimmy Moore suchte einen Job. Er hatte eine Idee: Ein Zitat verwenden.

Doch nutzte er keinen Aphorismus, sondern ein Motiv, dass sich besonders in der Pop-Kultur einer großen Beliebtheit erfreut. Zu sehen: Die menschliche Evolution in fünf Schritten. Vom gebückten Primaten zum stolz aufrecht gehenden Homo sapiens – dieses Motiv kennt eigentlich jeder. 

Jimmy Moore veredelte es auf seine Weise. Er machte die beliebte Abbildung zu seinem Lebenslauf. Zeigte bildlich, wo er was, wie lange machte. Er hob sich optisch von allen Konkurrenten deutlich ab, zeigte seine Kreativität und verwendete ein Stilmittel, das in seiner Branche besonders beliebt ist.

Kurzum: Er hijackte den persönlichen Geschmack seiner Zielpersonen und fand einen originellen Multiplikator für die eigenen Bewerbungschancen. Smart!

Doing: Was könnten deine potenziellen Mitarbeiter besonders leidenschaftlich mögen oder schätzen? Suche dir emotionale Touchpoints für deine Stellenanzeigen. 

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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