BusinessBall #2: Entscheidungsfindung
New Work

BusinessBall #2: Entscheidungsfindung

Es geht nicht um das "Wann", sondern um das "Ob" in der Entscheidungsfindung. Für kreative Höchstleistungen müssen Unternehmen für eine Unternehmenskultur sorgen, in der Fehler Mittel zum Zweck sind.

von Hannes Hilbrecht
Im Leistungssport stehen Aktive immer wieder vor spielentscheidenden Entscheidungen. © Photo by Andy Hall on Unsplash

"You only missed the shots you don't take."

Das sagte einst der großartige Wayne Gretzky. Für alle, die es nicht wissen: Der beste Eishockey-Spieler aller Zeiten. Den Puck, diese Hartgummischeibe, den die Spieler auf dem Eis hinterherhetzen, schoss Gretzky ziemlich oft ins Tor. Ein Virtuose auf dem Eis – und in den Zitatsammlungen.

Im Weltsport steckt sehr viel Wahres in diesen Worten. Ein Quarterback zum Beispiel muss im American Football ständig Entscheidungen treffen: "Nehme ich den Wurf oder nehme ich ihn nicht", ist eine der Fragen, die er sich in jedem Spiel bis zu 40mal stellen muss. Timing ist das alles Entscheidende. Ein falsches Zögern oder eine Übersprungshandlung können ein Spiel entscheiden.

Man muss verstehen: Wenn er den Ball weit wirft, 30, 40 Meter im hohen Bogen, muss er das Spiel im Kopf um bis zu zwei Sekunden vorspulen und prognostizieren, wo der Teamkamerad und der Gegenspieler in diesem Moment sind. Und wer die Sportart kennt, weiß: Während dieser Überlegungsphase versuchen 120 Kilo schwere Ungestüme ihn, den Schachspieler, in den Boden zu rammen.

Decisive heißt das Zauberwort

Im US-Sport hat sich daher ein Adjektiv etabliert, wenn es darum geht, den Quarterback zu bewerten. Decisive. Es beschreibt die Entscheidungsschnelligkeit und Willigkeit eines Spielmachers. Ist er mutig und vertraut er auf seinen ersten Blick, oder zögert er und verpasst er so vielleicht einen glorreichen Spielzug? Ein Quarterback kann noch so geschickt mit dem Ball umgehen und mit einem Kanonenarm auftrumpfen - ist er im Kopf zu ängstlich, findet er sich unter einer schwitzigen Menschentraube wieder.

Im Fußball gibt es von Fachmännern und Fachfrauen ganz ähnliche Einschätzungen, wenn es darum geht, Spielertalente zu bewerten. Das technische Geschick, die Fitness und das taktische Know-How bringen viele gute Fußballer mit. Der größte Unterschied: Die Handlungschnelligkeit und der Mut. Wie schnell eine Handlung ausgeführt werden kann, ein starker Pass zum Beispiel, ein Dribbling oder ein plötzlicher Richtungswechsel, bestimmt oft, ob aus einem guten ein sehr guter Fußballer wird.

Es zählt das Ob

Nun sind wir in den Büros natürlich weit entfernt von diesem Tempo und dem Druck eines Millionen-Publikums. In den allermeisten Branchen muss es zwar auch schnell gehen - aber ein Meeting zum Durchkauen einer Entscheidung bleibt eigentlich immer. Oft geht es nicht darum, bis wann eine Entscheidung getroffen wird, sondern ob man sie überhaupt trifft. Und hier ist man wieder beim Gretzky-Zitat.

Ich kenne falsche Zögerlichkeit nur zu gut. Früher, als ich noch als Sportjournalist tätig war, war ich ein Chancenversemmler. Ich hatte die Möglichkeit, als Experte in einer Live-Radiosendung zum Hamburger Sportverein zugeschaltet zu werden. Nicht, dass ich irgendeine Erfahrung als Katastrophenforscher zu diesem Zeitpunkt gehabt hätte. Aber die Plattform wäre ideal für meine Selbstvermarktung gewesen. Ich kniff, weil ich dachte: Du kannst das nicht. Also nicht expertig genug vor anderen Fachkundigen aufschlagen.

Der härteste Gegner: Die Furcht

Es gab noch andere Beispiele: Ich etablierte mich als Autor für ZEIT ONLINE und den Berliner Tagesspiegel, doch zauderte ich, meine Arbeiten anderen Leitmedien aufzuschwatzen. Obwohl es immer wieder günstige Momente gab. Ich war nicht entscheidungswillig. Wollte nicht zu früh Chancen und Kontakte verspielen. Ganz ähnlich lief es bei der Themenfindung: Ich ließ Stories liegen, die ich frühzeitig antizipierte, mir aber nicht zutraute, und musste sie dann von anderen Autoren lesen.

Der häufigste Grund, warum wir zögerlich handeln, ist die Furcht. Wir wollen keinen Fehler machen. Nicht leichtsinnig handeln. Und tatsächlich ist es sehr oft schwierig, zwischen Mut und Leichtsinn zu unterscheiden.

Scheitern als Chance begreifen

Ich habe es im Text über meine Begegnung mit LeBron James für mich erörtert: Mut wird erst zu Leichtsinn, wenn man eine Entscheidung trifft, die im Anschluss nicht reparabel ist. Es ist also ein Unterschied, ob man einem Unternehmer mit 100 Angestellten rät, "einfach mal zu machen". Oder ob man das einem Mitarbeiter rät, der eine gute Idee hat - oder zumindest haben könnte.

Viele deutsche Top-Unternehmer - zum Beispiel Max Wittrock von mymuesli - sprechen offen über Fehler und den Nutzen dieser Learnings. Scheitern als Chance begreifen, das titelte auch Christian Stummeyer über seinen 3-Learnings-Gastbeitrag für unser Magazin.

Diese Denkweise müssen nicht vordergründig Unternehmer für ihr eigenes Handeln adaptieren. Sie müssen diese Unternehmenskultur vor allem für ihre Top-Talente und Kreativen etablieren. Gute Trainer und Trainerinnen zeichnet genau das im Sport aus. Sie vermitteln Selbstvertrauen und Sicherheit und fördern den Mut zum Risiko proaktiv.

Und das macht die Athleten im besten Fall "more decisive". Und genauso muss es auch in Unternehmen funktionieren.

 

Tipp: Lese doch auch die weiteren Kolumne der Serie #BusinessBall:

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

Kommentieren

Neuen Kommentar schreiben