Das Hamsterrad verlassen
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Das Hamsterrad verlassen

Stefanie Peters ist Gründerin und CEO der Wachstumsberatung enable2grow und hat in ihrer 25-jährigen Karriere in der Beratungs- und Start-Up-Szene viel mitgenommen. Ihre #3Learnings zum Thema "persönliches Wachstum".

von Stefanie Peters
© PIABO PR

1. Breit starten, offen und bereit sein, die Welt zu entdecken

Ich bin ein Beamtenkind, meine Eltern sind Lehrer. Und die wollten natürlich nur das Beste für mich. Zum Beispiel, dass ich Medizin studiere und Ärztin werde. Aber ich hatte schon immer ein Unternehmer-Gen, auch wenn ich nicht weiß, wo es bei mir herkommt. Ich spürte also schon früh den Drang, mir selbst etwas aufbauen zu wollen und deshalb studierte ich in Passau nicht Medizin, sondern BWL und Fremdsprachen. Als ich 1993 mit 23 das Studium beendet und meinen ersten richtigen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte, ging ich erstmal auf Weltreise. Ich wollte Neues entdecken, Erfahrungen machen, Unbekanntes kennenlernen.  

Ich habe früh gelernt: Es muss nicht alles sofort sein.

Man muss sich Raum zur eigenen Entfaltung geben können. Und dazu gehört auch: Sich Aufgaben zutrauen, obwohl man weiß, dass man für diese Jobs noch sehr viel lernen und wachsen muss. Und sich zu Beginn vielleicht nicht den bestbezahlten Job aussuchen, aber dafür den, der einen am meisten herausfordert und die besten Lernchancen bietet.

Als ich nach meinem Studium bei einer US-amerikanischen Beratungsfirma anfing, musste ich wirklich noch sehr viel lernen. Und es gab für mich keine besseren Bedingungen: US-Firmen setzten damals genauso wie heute auf High-Potentials. Junge Top-Talente aus allen Ecken der Welt kamen zusammen. In gemeinsamen Trainingscamps profitierten wir nicht nur vom Weiterbildungsprogramm unser Firma, sondern auch vom Miteinander. 1994 flogen wir zum Beispiel drei Wochen nach Chicago. Mitten im Winter, es war bitterkalt. Jeden Tag unter -20 Grad. Und das hatte einen großen Vorteil: Wir konnten oder wollten nicht rausgehen. 120 talentierte junge Menschen auf engem Raum – das sorgte für Reibungen, schweißte zusammen und schmiedete Netzwerke, die bis heute halten.

Damals lernten wir, was "E-Mails" sind und was ein Datenmanager macht. Und wir bekamen Unterricht in Programmiersprachen. Ich musste die inzwischen veraltete Schrift "COBOL" lernen. Ihr müsst wissen: Ich hatte vorher keinen Bezug zu IT. Ich war aufgeschmissen und hatte nur zwei Optionen: a) Mich selbst durchquälen. b) Jemanden um Hilfe fragen, der sich damit besser auskennt. Ich sprach eine Gruppe junger Männer aus Deutschland an, sie waren zu fünft oder zu sechst und sahen fachkundig aus. Einer erklärte sich bereit, sich die Zeit zu nehmen. Mittlerweile sind wir über 20 Jahre verheiratet und haben vier Kinder.

Key-Learning:  Stelle Dich breit auf und mache daraus eine Stärke. Entdecke die Welt, wenn Du die Chance dazu hast!

2. Sich frühzeitig begeistern für neue und innovative Themen

Zum Ende des Jahres 1998 nahm ich einen Job bei der Beratungsfirma BCG Boston Consulting Group - ist eine der größten Unternehmensberatungen der Welt. an. Ein toller Job, für mich als junge Frau kurz nach dem Master-Abschluss bei INSEAD.

Doch vor dem Jahreswechsel rief mich mein ehemaliger Kommilitone Marc Samwer Marc Samwer gehört zu den Samwer-Brüdern und leitet das Unternehmen “Rocket Internet”. an. Auch er hatte ein Angebot für mich. Er fragte, ob ich Ebay kenne und Lust hätte, bei seinem Projekt "Alando" einzusteigen. Eine freche Kopie der Verkaufsplattform für den deutschen Markt, bei dem von der Idee bis zum Logo alles sehr dem Original ähnelte. "Alando" starteten die Samwer-Brüder übrigens, als ihre Bemühungen, mit Ebay zu kooperieren, gescheitert waren. Ich sah mir den Businessplan an und war versucht: Mein Name und meine Vita waren darin bereits enthalten. Technische Innovationen und das Internet hatten mich schon interessiert, als das Web, das wir heute kennen, noch eine prähistorische Welt war. Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal ein Buch bei Amazon bestellte, und wie überrascht ich war, als es tatsächlich bei mir ankam.

Bei BCG sollte ich mich intensiv mit dem E-Commerce in Deutschland und Europa vertraut machen – was mich vom Job überzeugt hatte. Also sagte ich dem verrückten wie talentierten Team um Marc Samwer ab und trat am 1. März 1999 meine Stelle bei BCG an.

Die Anekdote? Ich wurde im Rahmen meines neuen Jobs beauftragt, führende Online-Unternehmer zu interviewen und ihre Erfahrungen in Studien auszuwerten. So kam es, dass ich wenige Monate nach dem abgelehnten Job-Angebot den Samwer-Brüdern gegenüber saß. Genüsslich zählten sie mir ihre KPIs auf. Sie hatten auf das deutsche Ebay in kurzer Zeit "traction" bekommen. Alando war wenige Monate nach dem Start für 36 Millionen Mark von eBay gekauft worden. Eine damals unfassbare Summe. Eine Gründerszene, wie wir sie heute kennen, gab es damals einfach nicht.

Key-Learning: War ich damals zu integer, weil ich meinen Vertrag einhielt? Ich bereue meine Entscheidung nicht. Es waren andere Zeiten, die Perspektiven von Start-Ups hatten noch keine Kontur. Es fehlte an der Fantasie für das Mögliche. Es wäre leichtsinnig gewesen, dafür einen tollen Job abzulehnen. Unter heutigen Voraussetzungen kann ich aber jedem den Schritt in ein Start-Up nur empfehlen – diese Chancen sollte man für sich nutzen. In der Szene lassen sich technische Innovationen nicht nur entdecken, sondern mitgestalten.

3. Das Hamsterrad verlassen - seine eigenen Wege gehen

Eines samstags wachte ich nach einer 80-Stunden-Woche auf und fragte mich: Wie viel Zeit mit meinen Kindern will ich eigentlich noch verpassen?

Keine Frage: Die Zeit bei BCG hatte mir viel gegeben, darunter zwei Jahre in New York. Ich hatte mich in einer Männerdomäne 7,5 Jahre durchgesetzt. So etwas gibt man nicht einfach auf. Ich habe es dann aber doch getan. Weil ich nicht mehr nur beraten wollte, sondern nach mehr Eigeninitiative strebte, nach Handlungsfreiraum – vor allem nach persönlicher Freiheit. Ich gab meinen Job auf und machte mich selbstständig.

Über meine Drähte in die mittlerweile gewachsene deutsche Start-Up-Szene bekam ich Kontakt zu einem Telefonie-Unternehmen aus Österreich namens Jajah. Jajah orientierte sich an Skype. Zwar hatte es nicht den populären Namen, aber es hatte ausgefeiltere Funktionen. Und: Jajah war deutlich günstiger als andere Telefonieanbieter wie die Telekom. Beim ersten Workshop in Wien sollte ich spontan ein Schaubild entwerfen, das die Vorteile von Jajah gegenüber der Konkurrenz auf den ersten Blick deutlich machte. Ich stand auf und skizzierte schnell eine 2x2 Matrix. Die Stärken von Jajah gegenüber der Konkurrenz wurden sofort deutlich. Ich beeindruckte die Gründer und bekam Zuspruch. Ich dachte: Jetzt haben sich all die Jahre in der Beratung, wo ich andauernd solche Grafiken erdachte und gestaltete, doch noch gelohnt. Dieser Moment am Flipchart war sehr wichtig für meine Pläne als selbstständige Beraterin.

Jajah wurde 2009 für 180 Millionen Dollar an die Telefonica verkauft und in den Konzern integriert, nachdem die Gründer vor der Finanzkrise ein deutlich höheres Angebot noch abgelehnt hatten. So gut lief es natürlich nicht immer. Einige Male habe ich Firmen mit abgewickelt.

Aber das Hamsterrad zu verlassen, also auf eigenen Beinen zu stehen, war trotzdem eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe. Als sich die Aufträge häuften und nicht mehr alles für mich allein zu schaffen war, sagte mein langjähriger Bekannter und Freund Tilo Bonow: "Dieses Business müssen wir skalieren". Und so entstand mit dem Verlassen des Hamsterrads das, was ich immer wollte: eine eigene digitale Beratungsfirma, in der ich Gründerin, Geschäftsführerin und Partnerin bin.

Key-Learning: Du hast Selbstvertrauen, bist gut vernetzt und fühlst Dich stark genug? Verlasse das Hamsterrad und gehe Deinen eigenen Weg.

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Stefanie Peters

Stefanie Peters ist Gründerin und CEO der Wachstumsberatung enable2grow und eine führenden Frauen in der deutschen Digitalbranche. 

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