Ein digitaler Tag der offenen Tür
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Ein digitaler Tag der offenen Tür

Marc Raschke hat mit einer innovativen Social-Media-Strategie nicht nur Preise gewonnen, sondern auch den Employer-Brand eines Krankenhaus verbessert.

von Hannes Hilbrecht
Marc Raschke leitet die PR-Arbeit von Krankenhäusern. © Marc Raschke

Hintergrund: Eine WhatsApp-Gruppe als Tool für das Employer Branding und als Ersatz für den Tag der offenen Tür? Marc Raschke hat das Experiment gewagt. Eine Woche lang zeigten Schwestern, Pfleger und Ärzte den Krankenhausalltag in einer WhatsApp-Gruppe. Das war mal Kino, mal Fragerunde, auf jeden Fall authentisch. Mit dieser Idee hat Marc Raschke auch Awards abgeräumt. Unter anderem den Personalmanagement-Award des Bundesverbandes der Personalmanager. Dieser würdigt starke Kampagnen, die mit geringen Ressourcen erdacht wurden.

Marc, Du hast für ein Krankenhaus in Köln eine innovative WhatsApp-Kampagne entwickelt. Eine Woche habt ihr eine WhatsApp-Gruppe mit Einblicken aus dem Krankenhaus versorgt. Ein Ziel: Employer Branding. Warum ist Employer Branding für Euch besonders wichtig?
Du musst wissen: Köln wird durch den Rhein in zwei Hälften geteilt, die linksrheinische "gute" Seite mit Dom, Altstadt, Uni & Co. Und dann die andere Seite, die "schäl Sick", die für viele weniger attraktiv ist. Ausgerechnet da liegt der Stadtteil Köln-Porz.

Wir wollten etwas Neues probieren, etwas, dass noch niemand in der Branche vor uns gemacht hat.

Warum habt ihr dafür WhatsApp benutzt?
Wir wollten etwas Neues probieren, etwas, dass noch niemand in der Branche vor uns gemacht hat. Und WhatsApp ist ein sehr direkter Kanal. Wir sind am intimsten Ort eines Handynutzers: Im Chat zwischen den Freunden und der Familie.
 
Ich kann mir vorstellen, dass Deine Chefs nicht sofort begeistert waren.
Wir sind ein Krankenhaus mit 400 Betten und demnach mit einem relativ kleinen Verwaltungsapparat. Außerdem gilt: Man muss nur die richtigen Leute begeistern. Dann sind auch außergewöhnliche Ideen umsetzbar.
 
Was waren die anderen Herausforderungen, die ihr vor der Aktion bewerkstelligen musstet?
Eine WhatsApp-Gruppe kann ja im Prinzip jeder aufmachen. Die Aufgaben sind andere. Datenschutz ist in einem Krankenhaus immer das große Thema. Wir haben mit unserem Beauftragten gesprochen und zunächst krankenhausinterne Regeln abgesteckt. Zum Beispiel, dass keine Patienten oder persönliche Daten auf Fotos oder Beiträgen zu sehen sind.
 
Und der WhatsApp-Chat blieb eine Grauzone?
Wir haben natürlich darauf hingewiesen, dass sich alles bei WhatsApp abspielt und daher nach den Regeln des Messenger gespielt wird.
 
Die Idee und Umsetzung sind das eine. Doch wie bekommen die Menschen von so einer Gruppe mit?
Wir haben Plakate an Schulen geschickt und wollten eine Zeitungsannonce im Kölner Stadtanzeiger buchen. Geplant war die Größe einer Postkarte, dann wurde es aber eine komplette Seite.
 
Das konnten sich ein kleines Krankenhaus leisten?
Die Zeitung war total begeistert von der Idee. Der Verlag ist uns deshalb sehr stark entgegengekommen. Wir haben nur die Postkartengröße bezahlt.
 
Wäre ich Dein Chef, würde ich wissen wollen, wie viel diese Aktion gekostet hat.
Das kann man schwer messen. Wie will man die Kosten auf die zehn Minuten runterbrechen, die ein Oberarzt für ein Foto verwendet hat? Was wir sagen können: Die Ausgaben für Werbemittel im Vorfeld der Aktionen blieben im niedrigen vierstelligen Bereich.
 
Wie bestimmt man, wem das Smartphone mit dem Gruppenchat in die Hand gedrückt wird?
Die Vorstellung, wer das am besten machen könnte, hat man ziemlich schnell. Man kennt sich ja und weiß, wer gute Einblicke geben kann und mit den Sozialen Medien vertraut ist. Uns war wichtig: Wir wollten keine Netiquette vorgeben oder die Inhalte bestimmen. Die Eindrücke sollten authentisch sein. Echt.
 
Was sind die Probleme in so einer WhatsApp-Gruppe?
Wir hatten natürlich die Befürchtung, dass wild durcheinander geschrieben und gefragt wird. Das kennt man ja aus anderen WhatsApp-Gruppen gelegentlich. Deshalb haben wir von vornherein klare Zeiten für Fragen eingerichtet und ansonsten betont: Das ist quasi wie Kino – nur zuschauen, bitte.
 
Wie kam die Aktion bei den Teilnehmern an?
So gut, dass am Ende viele traurig waren, weil die Woche so schnell rum war. Auf beiden Seiten übrigens.

Wir konnten intime Einblicke in ein intimes Medium übertragen.

Was war besonders smart an dem Projekt?
Wir konnten intime Einblicke in ein intimes Medium übertragen. Einen Operationssaal sehen und erleben die wenigsten Menschen im Alltag. Die Hygienevorschriften machen es unmöglich, mal eben 220 Menschen durch die Räume zu führen. Uns war aber auch wichtig, dass wir diese Eindrücke in einem persönlichen und kommunikativen Bereich zeigen. Dafür war WhatsApp der ideale Kanal.

Ist WhatsApp der spannendste Kanal im Personal Marketing?
Schwer zu sagen. Es gibt viele Möglichkeiten und die Social Media Kanäle haben nunmal die Eigenheit, dass alles sehr fluid und wechselhaft ist. Zwei Sachen kann man aber trotzdem festhalten: 1. WhatsApps Bedeutung wächst, während man das Gefühl hat, dass Facebook stagniert. 2. Die Job Annonce wird immer unbedeutender und womöglich ganz verschwinden.
 
Wird das Projekt wiederholt?
Auf jeden Fall. Noch in diesem Jahr. Es ist für uns wie ein Tag der offenen Tür, ein wichtiges Instrument. Nur das Hygiene- und Brandschutzvorschriften nebensächlich sind. Diese beiden Themen sind sonst die Hindernisse für die meisten Veranstaltungen im Krankenhaus.
 
Ich denke wieder an Deinen Chef und möchte fragen: Was hat das gebracht?
Aufmerksamkeit. Wir haben verschiedene Preise gewonnen und waren im HR-Bereich vielfach für dieses Employer Branding nominiert. Die Medien haben über uns berichtet, auch überregional. Eine Zeitung titelte: "Endlich kommt die Digitalisierung im Krankenhaus an". Das war schmeichelnd, aber auch deutlich übertrieben.
 
Und bei den Jobs?
Genaue Zahlen können wir nicht präsentieren, da wir nicht immer wissen, wer wie woher kam. Aber zurückhaltend schätzen wir, dass uns die Aktion 20 Prozent mehr Anfragen für Jobs und Praktika gebracht hat. Und einige Einstellungen resultierten direkt aus der Aktion.
 
Gibt es dafür ein konkretes Beispiel?
Wir haben einen sehr guten Oberarzt gewonnen, der die Wahl zwischen mehreren Krankenhäusern hatte. Er hat sich für uns entschieden, weil die WhatsApp-Aktion ihm gezeigt habe, dass wir ein modernes Krankenhaus sind.

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Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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