Content Marketing: Ein revolutionäres Experiment?
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Content Marketing: Ein revolutionäres Experiment?

Erst das Medium, dann die Produkte. Wir stellen ein Content-Marketing-Experiment vor. Keine Sorge: Das hat nichts mit Chemie zu tun. Teil 3 der Content-Perspektive.

von Hannes Hilbrecht
© Louis Reed on Unsplash

Teil 3 unserer Content-Perspektive:

Gemeinsam mit einem Kollegen von MANDARIN MEDIEN teste ich in meiner Freizeit eine Content-Marketing-Vision im Kleinen. Als Vorlauf für größere Agentur-Projekte. Es ist ein Ansatz “outside the box”. Was sind wir so bescheiden: Manchen wird es vielleicht wie eine Revolution vorkommen.

Wir machen es wie Walt Disney oder die Tour de France, nur mit Kalkül: Wir bauen erst ein Medium, das die Zielgruppe liebt. Und das mit der Absicht, es im nächsten Step zu einem Content-Marketing-Tool für Unternehmen zu machen. Und im dritten Schritt spüren die Fans, dass das Angebot, das sie schätzen, dank der Corporate-Partner sogar noch wächst und besser wird. Die Bedürfnisse der Leser werden von den werbenden Unternehmen nicht abgewürgt, sondern noch stärker befriedigt.

Wie funktioniert dieses Experiment?

Starten wir mit unseren Kerngedanken. Zehn Fragen bestimmten unsere konzeptionelle Startphase: 

  1. Wie bekommen wir ohne Budget schnellstmöglich viel qualitativen Traffic?
  2. Gibt es genügend natürliche Seeding- und Multiplikations-Optionen – und sind diese leicht für uns zu erschließen?
  3. Gibt es ein Publikum von 100.000 bis 200.000 Fans, das wir relativ konkurrenzlos erreichen können?
  4. Können wir für die Zielgruppe eine Umgebung schaffen, die für sie einmalig ist?
  5. Hat unser Produkt einen klaren USP?
  6. Sind wir 365 Tage im Jahr für unsere Zielgruppe relevant und gibt es eine sichere wöchentliche Reichweite?
  7. Können Unternehmen von dieser Plattform profitieren?
  8. Sind wir eigentlich gut in dem, was wir vorhaben?
  9. Bieten wir unseren Lesern wirklich einen Mehrwert?
  10. Können wir jeden der ersten 9 Punkte abhaken?

1. Step: Am Anfang steht der Fan

Konnten wir. 

Derzeit entwickeln wir für die Fans eines Fußball-Drittligisten mit einem extremen Reichweitenpotenzial einen neuen Fußballblog auf einer bestehenden Webpräsenz. 

Dieser Blog bietet neue Formate, die in Deutschland weitestgehend unerprobt sind. In der Schublade liegen sieben bis acht Beitragsformen, die sich alle stark vom bislang verbreiteten lokalen Sportjournalismus unterscheiden. Die meisten Ideen adaptieren wir aus den USA. Dort nimmt die Sportmedien-Coverage seit Jahren die weltweite Vorreiterrolle ein. Was bei technischen Produkten gilt, sollte auch beim Content gelten: Lerne von den Besten.

Unser USP: Neue Inhaltsformen wie Player-Grades nach eigener Formel, Play-by-Play-Analysen und einer Abwandlung des weltberühmten Carpool-Karaoke fürs Fußballstadion (das wird ein Kracher). Anstelle von normalen Action-Bildern arbeiten wir mit zeitlich relevanten Karikaturen im Comic-Stil. Das ist eine Anlehnung an das Erfolgskonzept des US-Magazin “The Ringer”. Kurzum: Wir bauen ein Produkt, das sich von der Konkurrenz inhaltlich und optisch stark unterscheidet.

Die ersten Zahlen sind beeindruckend. Obwohl wir an einen bestehenden Blog ohne Bestandsreichweite andockten, gerade mal 50 Euro für eine Anzeige ausgegeben haben und noch gar keine Social-Strategie fahren, erreichen wir aus dem Stand zehntausende Leser. Die verbringen bei langen Artikeln bis zu fünf Minuten in den Texten. Das Feedback ist fast durchweg positiv. Uns lieben noch nicht viele, aber diejenigen, die uns lieben, tun das bereits sehr. 

Mit Karikaturen Abgrenzung schaffen. MANDARIN-MEDIEN-Denker Stefan Pede malt die Cartoons. © Stefan Pede

2. Step: Klare Strategie für Unternehmen

Der wichtigste Grund, warum unsere Texte sehr ausführlich, also lang sind: Wir wollen Lesern echten Mehrwert bieten. Und dieser braucht gerade im Sport ab und an etwas mehr Raum.

Der besondere Unterschied: In normalen Medien ist jener Raum mit vielen unterschiedlichen Anzeigen vollgestopft. Die Konkurrenz zwischen den Werbenden ist groß. Man strapaziert den Leser sowieso schon mit seinem Blingbling, und dann muss man sich noch mit Banken und Versicherungen darum prügeln, wer am charmantesten nervt. 

Drei, vier passende Anzeigen und Product Placements einer Marke in einem Beitrag und auf der ganzen Website aufeinander abgestimmt und orchestriert – die Wirkung ist eine ganz andere. 

Hier beginnt der zweite “revolutionäre” Gedanke: Die allermeisten Unternehmen haben Hochphasen, die für sie ganz besonders wichtig sind. Brauereien brauchen dann gutes Marketing, wenn die Leute am meisten Bier kaufen und trinken. Ein Reiseunternehmen wiederum hat ganz andere zeitliche Bedürfnisse. 

Wir streben Joint-Venture-Lösungen an. Jeden Monat übernimmt ein anderer regionaler oder überregionaler Partner als Exklusiv-Werber. Unternehmen mit der gleichen Zielgruppe und einer ähnlichen Message, aber anderen Produkten, können gemeinsame Sachen machen und voneinander profitieren. So machen es übrigens die nicht konkurrierenden Sportmedien “Kicker” und “DAZN”. Der gemeinsame Podcast bündelt die Kompetenzen und gleichzeitig verschmelzen die Reichweiten.

Größtes Plus für die neuen Corporate-Publisher: Durch den effizienteren Einsatz ihrer Mittel werden Ressourcen für klassisches Performance Marketing geschaffen. Joe Pulizzi wäre stolz auf uns. Er sagt:

Etwa 75 Prozent des Gesamtbudgets sollten zu Beginn in die Distribution fließen.

Step 3: Gutes Content Marketing machen

Der Plan für den Roll-Out ist simpel: Sobald die Bühne muckelig bereitet ist, der erste Corporate-Partner einsteigen kann mit eigenen Formaten, Freebies und anderem Gedöns, steigt die Qualität der Plattform weiter. Corporate Partner sorgen für ein weiteres Upgrade. Sie belegen keine Artikel-Slots, sondern schaffen neue Benefits für die Zielgruppe. Die Werbung verliert dadurch ihren Ruf als Störfaktor. 

Die wichtigste Erfahrung: All die Steps, die wir gerade nehmen, ließen sich auch von Beginn an strategisch mit Unternehmen planen, vorbereiten und umsetzen. Mit einem angenehmen Vorteil: Bekommt die Plattform keine PS und die Strategie erweist sich als nicht zielführend, ist der Stecker schnell gezogen.

Doch warum ist das Content Marketing?

Weil Marken eine sehr breite Zielgruppe erreichen, die womöglich noch nie etwas von den Produkten oder Angeboten gehört hat. Mit Inhalten und Produkten, die die Leser ansprechen, und Werbung, die auf diese Formate individuell zugeschnitten ist. 

Auch erfüllt diese Version Pulizzis Definition von erfolgreichen Content-Marketing. Denn auch wenn die Corporates wechseln: Wir versorgen eine Zielgruppe über lange Zeit mit relevanten Inhalten.

 

Die ersten beiden Reihen unserer Content-Perspektive:

Tour de Marketing

Eine Frage des Mindsets

Weitere Lesetipps:

Die Sport-Content-Marketing-Vision von MANDARIN-MEDIEN

3 Learnings von Felix Willykonsky, DAZN

Interview Joe Pulizzi

In diesem Artikel
Hannes Hilbrecht

Hannes, Jahrgang 1993, gestaltet Content-Marketing-Projekte für die Digital-Agentur MANDARIN MEDIEN. Schrieb zuvor für Medien wie ZEIT ONLINE, den Berliner Tagesspiegel oder NDR.de. Ist nebenbei Fußballkolumnist. Erzählt jedem, den er trifft, dass er LeBron James interviewt hat. Für euch erreichbar unter: hannes.hilbrecht(ett)growsmarter.de

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